„Wie sollte ich das machen? Ich habe Maschinenbau studiert”, wunderte er sich. Bis dahin arbeitete der Fachingenieur für Fördertechnik im Reichsbahnausbesserungswerk Wittenberge (RAW) als Abteilungsleiter.
Seine Frau Christa allerdings war Fachverkäuferin für Lebensmittel. Also sollte sie die Gewerbegenehmigung dafür beantragen. Das war zu DDR-Zeiten nicht einfach. Schließlich sollten die Betriebe im Sozialismus der DDR dem Kollektiv gehören. Produktionsmittel in privater Hand waren im real existierenden Sozialismus nicht vorgesehen. So gab es einige Widerstände von staatlichen Stellen, die aber überwunden wurden.
„Im Februar 1987 fingen wir an zu bauen. Im November haben meine Frau Christa und ich den Kiosk eröffnet”, berichtet er. Es gab Bratwurst, Bockwurst und Schaschlik, aber auch einige in der DDR nicht alltägliche Speisen. „Aus der Kartoffelversorgung Parchim habe ich Pommes besorgt. Die waren eigentlich nur für die Interhotels bestimmt. Mit dem Trabi sind wir hingefahren und haben einen Anhänger voll Pommes abgeholt. Durch Beziehungen haben wir auch Wildwiener aus Warin bekommen”, erzählt Manfred Prietzel. Damit hatte er ein Alleinstellungsmerkmal. Den Leuten schmeckte es bei ihm. Und das Geschäft lief gut.
Nach der Wende 1989 hatte sich das bald erledigt. Imbisse schossen an vielen Ecken wie Pilze aus dem Boden. „1996 haben wir dann aber auf Initiative von Klaus Petry, der von 1993 bis 2008 Bürgermeister in Wittenberge war, das Hotel gebaut.” Petry bot ihnen an, das Grundstück am Bismarckplatz zu erwerben. Die Lage mitten in der Stadt erwies sich als ideal. Ein Architekt aus Hamburg kam auf 4,5 Millionen D-Mark Baukosten. Für den Bankkredit sollten eigentlich 30 bis 40 Prozent an Eigenmitteln vorhanden sein, teilte ihnen die Hausbank mit. „Wir hatten das, was wir am Leib trugen. Viel mehr nicht. Landrat Hans Lange als Aufsichtsratsvorsitzender der Volks- und Raiffeisenbank Prignitz unterstützte uns.” Prietzels eigenes Haus in der Wittenberger Altstadt, ein Wochenendgrundstück an der Elbe und das zu errichtende Hotel dienten als Sicherheit. „So haben wir einen Kredit mit 11 Prozent Zinsen bekommen.” Am 3. Januar 1997 öffnete das Hotel Prignitz mit 54 Betten – verteilt auf 23 Doppel- und acht Einzelzimmer – und das dazugehörige Restaurant Bismarckeck. Errichtet wurde das Gebäude von der Perleberger Baugesellschaft. „Das haben sie damals gut gemacht”, lobt Manfred Prietzel die Bauleute.
Übernachtungsgäste kamen überwiegend vom Trainingszentrum Wittenberge – Schweiß- und Prüftechnik – der Bahn mit dem damaligen Chef Klaus Lange. Seit 1992 wurden in der Bildungseinrichtung Schweißer und Prüfer ausgebildet. „1998 wurde die Einrichtung geschlossen. Zu dem Zeitpunkt hätten wir eigentlich Konkurs anmelden können”, blickt der Hotelier zurück. Doch die Deutsche Gesellschaft für zerstörungsfreie Prüfung (DGZfP) übernahm die Ausbildung und baute dafür eine neue Schule am Schillerplatz. „Wir waren sehr zufrieden und empfahlen unseren Leuten die Unterkunft im Hotel Prignitz”, sagt Fred Sondermann, damaliger Leiter des DGZfP-Ausbildungszentrums Wittenberge. Bis heute habe sich so eine gute Kontinuität ergeben, so Sondermann. Auch Manfred Pritzel als ehemaliger Bahnmitarbeiter ist glücklich über diese Symbiose. So ergab sich mit den Hotelgästen auch das eine oder andere Fachgespräch.
Zu seinen Gästen gehörten von Anfang auch Mitwirkende der Elblandfestspiele Wittenberge. So war es eine große Ehre für sein gesamtes Kollektiv, unter anderem Johannes Heesters begrüßen zu dürfen.
Beim Elbehochwasser im Jahr 2002 übernachteten Brandenburgs Ministerpräsident Matthias Platzeck, der Präsident des Landesumweltamts Matthias Freude und der Bundesinnenminister Otto Schily bei ihm. „Im gleichen Jahr hat Matthias Platzeck bei uns im Saal eine Kabinettssitzung abgehalten”, erinnert sich der Hotelier.
Zu den Gästen des Hotels gehörten seit dessen Eröffnung regelmäßig Vertreter der Schützengilde und der Feuerwehr aus Wittenberges Partnerstadt Elmshorn sowie Besatzungsmitglieder des Paten-U-Boots U31 des 1. Ubootgeschwaders der Bundesmarine in Eckernförde.
Begonnen hatte Manfred Prietzels Berufsweg mit der Maschinenschlosserlehre im RAW von 1955 bis 1958. Von 1963 bis 1968 folgte das Studium Maschinenbau an der Hochschule in Magdeburg. Von 1970 bis 1972 qualifizierte er sich in Roßwein bei Leipzig zum Fachingenieur für Fördertechnik. Über die IHK Potsdam ließ sich Manfred Prietzel schließlich im Jahr 2004 im Alter von bereits 63 Jahren an der Beruflichen Schule für Hotellerie und Gastronomie Teltow zum Hotelfachmann mit Ausbildereignungsprüfung ausbilden und 2010 als Koch mit Ausbildereignungsprüfung.
Im Jahr 2020 verstarb seine Frau Christa. Nach diesen schweren Schicksalsschlag führt er das Hotel alleine weiter. Aufzuhören war bis heute keine Option für den 82-Jährigen. „Im Jahr 1878 wurde das Hotel Germania in der Bahnstraße erstmals erwähnt. Danach gab es nur einen Hotel-Neubau in Wittenberge. Das war 1996 das Hotel Prignitz”, sagt er nicht ohne Stolz.
Politisch hat sich Manfred Prietzel als Kreisvorsitzender der FDP, im Landesvorstand der Brandenburger FDP sowie im Stadtparlament Wittenberge engagiert. Jens Wegner