Dennoch wollte der traumatisierte Arzt an die Öffentlichkeit, er wollte seine Geheimnisse nicht mit ins Grab nehmen, als er 1945 in seine Heimat zurückkam. Die Berichte von Mithäftlingen, die ihre Aufzeichnungen im Lager verfassten und vergruben, waren ihm damals ebenso wenig zugänglich wie historische Forschungsergebnisse und Archive.
Nyiszli sah sich verpflichtet, über seine Arbeit als Pathologe des Josef Mengele aus persönlichem Erleben zu berichten. Schriftstellerisch verdichtet veröffentlichte er sein erschütterndes Buch erstmalig 1946.
Dietz Berlin macht den ursprünglichen Text „Ich war der Obduktionsarzt von Dr. Mengele im Krematorium von Auschwitz“ in einem Band zugänglich, der durch Aussagen von Nyiszli in Prozessen, Zeitungsberichte sowie persönliche Stellungnahmen angereichert wurde. Er enthält in einem umfangreichen Anhang detaillierte Anmerkungen nach dem aktuellen Stand der Forschung und korrigiert Ungenauigkeiten und aus editorischen Erwägungen vorgenommene Verdichtungen und Fehler. Die Sprache ist nicht emotionslos, doch eher sachlich, nüchtern beschreibend, lässt Grausamkeiten von Häftlingen untereinander nicht aus, und bringt gerade in ihrer Authentizität den Schrecken nahe. Mit dem Wissen des Arztes schildert und bewertet er die unmenschlichen pseudowissenschaftlichen Versuche der faschistischen Mediziner, Pharmakologen und Rassenforscher, etwa in der Zwillingsforschung. Diese Publikation ist nicht nur ein einmaliges Geschichtszeugnis, sondern verdeutlicht den komplizierten Prozess der Vergangenheitsbewältigung, im dem immer wieder und bis heute um Deutungshoheiten gerungen wird. rvNyiszli, Miklós: Im Jenseits der Menschlichkeit. Dietz Berlin, 2024.