Mehr als alle anderen hatten die Kubaner unter Missernten, Misswirtschaft und Embargopolitik des nordamerikanischen Nachbarn zu leiden, unter der Verfolgung und Gleichschaltung der künstlerischen und wissenschaftlichen Intelligenz durch ihre eigenen Führer, unter Ignoranz und Inkompetenz. Immer wieder gab es große Erwartungen, immer wieder Stagnation und Rückschritt.
2016 ist die ganze Insel in Aufruhr, Barack Obama kommt nach Kuba, die Rolling Stones geben ein Konzert. Wird sich endlich etwas ändern?
In diesem Trubel schlägt sich der ehemalige Kriminalist Mario Conde mit antiquarischen Büchern durch, doch ab und an benötigen alte Freunde seine Hilfe, selbst die Kollegen der Kriminalpolizei. Weil sie durch den hohen Besuch ausgelastet sind, wird Conde gebraucht, um einen Mord zu untersuchen, der kein Aufsehen erregen soll, Der Ermordete war früher ein hoher Funktionär. Berüchtigt und gefürchtet, verfolgte er andersdenkende Künstler bis zum Selbstmord.
Nun wird er nach 30 Jahren brutal getötet. Ein Racheakt? Oder ging es um die Reichtümer des Opfers? Kunst, die er nach außen verdammte, hat er selbst gesammelt und mit Gewinn ins Ausland verkauft.
Padura versteht es nicht nur, die Situation in den Jahren nach der kubanischen Revolution lebendig nachzuzeichnen. Er spannt den Bogen viel weiter. Im Schatten seines Helden taucht ein Polizist auf, der 90 Jahre zuvor in einem von Korruption und Prostitution lebenden Havanna agierte. Dieser Polizist steht wie Conde zwischen den Fronten, spannende Gedanken über Täter und Opfer tun sich auf, und die Erkenntnis, dass selbst ein Mensch, der ehrlich und integer bleiben will, unter bestimmten Bedingungen zum Mörder werden kann.
Padura geht sogar noch einmal 100 Jahre in der Geschichte zurück, um den Kriminalfall aufzulösen. Was hat Napoleon mit Kuba zu tun? rvPadura, L.: Anständige Leute, Unionsverlag, 2024.