Sie hat es wieder getan. Sie – das ist Franziska Steinhauer. Pädagogin, Forensikerin und Schriftstellerin aus Cottbus. Es – das ist der 17. Fall für ihren Hauptkommissar Peter Nachtigall und seine Kollegen. „Spreewald-Marathon“ heißt das gerade erschienene Buch, Spreewald-Marathon ist ein Großereignis, auf das sich die Menschen in den Städten und Dörfern der Lausitz lange vorbereiten. Er ist nicht nur ein sportlicher Wettkampf, sondern ein Touristenmagnet. Nun regt die Lausitzer auf, dass Klima-Aktivisten über die sozialen Medien angeblich fordern, zu dem Marathon nur mit dem Fahrrad anzureisen. Aber rechtfertigt die allgemeine Erregung über angedrohte Störaktionen den brutalen, mit roher Gewalt ausgeführten Mord an dem Führer der Aktivistengruppe Kipppunkt? Zumal die jungen Leute der „Letzten Generation“ künftig mehr auf Diskussion und Überzeugung als auf Straßenblockaden setzen wollen.
Gleichzeitig muss sich das Team von Nachtigall damit beschäftigen, dass ein wegen Vergewaltigung einsitzender junger Mann, der kurz vor der vorzeitigen Entlassung steht, von seinem Mitinsassen in der Haftanstalt fast zu Tode geprügelt wird. Dem Leser ist klar, dass die beide Verbrechen zusammengehören, und er darf auch mit weiteren Toten rechnen. Aber warum?
In wenigen Strichen charakterisiert die erfahrene Autorin Situationen und Menschen, und das nicht schablonenhaft, sondern genau beobachtend. Den Roman zeichnet eine große Dichte der Personen und ihrer Handlungen aus, alles greift nahezu nahtlos ineinander, ohne allzu viel Redundanz.
Aus großstädtischer Sicht mag man zweifeln, ob die hier geschilderten Konflikte der Jugendlichen mit ihren Eltern nicht etwas aus der Zeit gefallen sind. Doch auch in moralischen Fragen ticken die Uhren nicht nur in der Lausitz mitunter anders. Hier gibt es keine Anonymität, jeder kennt jeden.
Ein krimierfahrener Leser wird wahrscheinlich schnell den Haupttäter ausmachen. Aber bis zum Ende des Romans gibt es forensisch und psychologisch genaue Beschreibungen, Spannungen und Überraschungen in den Beziehungen der Personen untereinander und ihren Motiven. Franziska Steinhauer billigt ihren Kriminalisten durchaus individuelle Züge und ein Privatleben zu, lässt es aber nicht die Handlung dominieren. Ein besonders gelungener Roman mit sehr aktuellem Hintergrund. rvSteinhauer, F.: Spreewald-Marathon. Gmeiner Verlag, 2024.