Der erste Aufschlag galt aber erst einmal der passenden Literatur. Wolfgang Hörmann, Mitglied der Hans-Fallada-Gesellschaft mit Sitz im mecklenburgischen Carwitz, las gut eine Stunde aus Falladas Roman „Der Trinker“. Fallada, zeitlebens abhängig von Alkohol und Pharmaka, schrieb sein Werk 1944 in einer Nervenheilanstalt. Nach wie vor hat der Autor nichts von seinem Bekanntheitsgrad eingebüßt. Das zeigte sich am Begrüßungsabend auch in der Lesung und den Gesprächen danach.
Das Guttemplerhaus in der Wildenbruchstraße 80 in Berlin-Neukölln, Sitz des Landesverbandes Berlin-Brandenburg, war tags darauf der Gastgeber. Im Mittelpunkt standen hier Diskussionen über die aktuellen Anforderungen an die Suchtbekämpfung. Christian Killiches sprach in einem umfassenden Vortrag über die Suchtselbsthilfe in der heutigen Zeit. Er betonte dabei unter anderem die immer stärker wirkenden gesellschaftlichen Herausforderungen und Besonderheiten in den einzelnen Lebensabschnitten der Menschen. Der Einbeziehung von Nichtsüchtigen und Angehörigen wies Killiches eine wichtige Rolle zu. Der Redner stellte unter anderem die Frage in den Raum, ob Suchtkranke tatsächlich einhundertprozentig abstinent leben müssten, was in folgenden Wortmeldungen ebenfalls thematisiert und erwartungsgemäß unterschiedlich bewertet wurde. Klarer Standpunkt blieb indes: Immer müsse auch Suchtkranken die Teilnahme am gesellschaftlichen Leben ermöglicht werden. Und: „Suchterfahrene sollten ihre Erkenntnisse teilen,“ so der Mann am Pult. Stets müsse es darum gehen, ein Gefühl der Heimat und eine lebenswerte Perspektive zu vermitteln. Killiches brachte neue Methoden im Umgang mit den Süchten ins Gespräch. Er redete auch dem neuesten technischen Fortschritt das Wort. Die Vorzüge der Digitalisierung gelte es zu erkennen und noch stärker zu nutzen. Dazu gehörten auch digitale Selbsthilfegruppen. Schnell wurde in der Aussprache deutlich, dass Theorie und Praxis hier insbesondere bei den betagten Betroffenen vielfach noch weit auseinander liegen. Fehlende Kenntnisse und technische Voraussetzungen, zum Beispiel auf dem „flachen Land“, sind auch bei bestem gutem Willen nicht so leicht wettzumachen.
„Meditation in der Suchtselbsthilfe – ein Verfahren zur Konfliktlösung und Streitbeilegung“, zu diesem Thema gab es am Sonntagvormittag einen Vortrag. Der Referent erläuterte anhand von Beispielen, für welche Konflikte das Meditationsverfahren einen guten Lösungsansatz darstellt und wo die Grenzen sind.
Das Wochenende in Erkner hat aus Sicht des Beobachters ein Bild der Geschlossenheit und des Willens gezeigt, sich weiter gemeinsam den Gefahren der Sucht zu stellen. Sichtbar wurden Grenzen, an die Betroffene und ehrenamtliche Helfer zunehmend stoßen. Sie kennen aber auch ihre Stärken. Die erwachsen zweifellos aus ihrem Zusammengehörigkeitsgefühl und der festen Absicht, für andere Betroffene da zu sein.
Man steht miteinander auch über Ländergrenzen in Kontakt. Die Tradition der jährlich stattfinden Treffen, seit drei Jahrzehnten ein Muss samt Vorfreude auf das Wiedersehen mit Gleichgesinnten, wird 2025 fortgesetzt. Uwe Wolters, stellvertretender Landesvorsitzender der Guttempler in Mecklenburg-Vorpommern, warb in Erkner dafür. Vom 5. bis 7. September 2025 ist Parchim der Gastgeberort. Wolfgang Hörmann