... oder vielleicht doch in eine Polytechnische Oberschule? Der sich das fragt, heißt Erik Werchow und sitzt in Untersuchungshaft. Wegen Staatsverhöhnung. Nein, nicht in den letzten Jahren der DDR, sondern in einer Zukunft, einer ganz nahen. Schreibend, eine andere Beschäftigung bleibt ihm nicht, verarbeitet er den Gefängnisalltag, seinen Weg dorthin, sein Leben. Er verarbeitet, was mit ihm und der Gesellschaft geschehen ist. Warum ist es eine Bedrohung für die Gesellschaft, eine Maske abzunehmen, hinter der sich nicht anderes verbirgt als das eigene Gesicht? Die Maske hat doch gar nichts verhüllt. Oder doch? DDR-Bürgern wird oft vorgeworfen, sie hätten sich in ihrer Gesellschaft angepasst. Werchow hinterfragt das, er dreht den Spieß um. Anhand seines eigenen Lebens, seiner Tätigkeit als Werbefachmann bei der Generosis fragt er, wie das heute ist mit der Anpassung, wer kriecht zu Kreuze, tarnt sich, verbirgt sich, verbiegt sich? Und wer hat den aufrechten Gang? Wie schnell lässt man sich Schuldgefühle einreden, verleugnet die eigene Biografie.
Der Autor erzählt, wie eine Arzneifirma die Krankheit passend zu ihrem Medikament erfindet. Der Russlanddeutsche wird zum Sinnbild der Heimat, von der nicht mehr gesprochen wird. Verhaltensvorschriften während der Corona-Epidemie führen zu der Frage, was die Demokratie nützt, wenn das Ergebnis eines ist wie in der Diktatur. Ein neues Zeitalter der Kniefälle, der peinvollen und peinlichen öffentlichen Distanzierung habe begonnen. Unliebsame Wahrheiten würden aus dem öffentlichen Diskurs verbannt. Kritiker würden zu Gegnern gestempelt, ein Ampelsystem für Medien eingeführt. Werchow spürt die Angst des Westens, alles könnte sich ganz anders verhalten als behauptet.
Während der Untersuchungshäftling Werchow seine Vergangenheit mit vielen Begebenheiten verarbeitet, die der Leser nachvollziehen kann, den Gefängnisalltag mit vielen Details und zudem spannend schildert, wird er öffentlich bekannt, so bekannt, dass er als Einzelperson nicht mehr wichtig ist und in den Hintergrund tritt.
Meinhardt führt in seinem Roman weiter, was er in der Gegenwart beobachtet. Er weiß aus seinen Erfahrungen als Ostdeutscher, der viele Jahre als Journalist bei der Süddeutschen Zeitung gearbeitet hat, was Anpassung bedeutet. Er weiß aber auch, dass gesellschaftliche Verhältnisse geändert werden können. Ist diese Zukunft wirklich so nahe? Das Buch fordert die Diskussion darüber heraus. rvMeinhardt, Birk: Abkehr. Vabanque Verlag Berlin, 2024.