„Nur wenn ich zornig bin, kann ich schreiben“ sagt Gunnar Schupelius von sich. Seine Kolumne in der Berliner Tageszeitung B.Z. trägt den Titel „Mein Ärger“ und nun ist eine Auswahl seiner am meisten diskutierten Texte als Buch erschienen. Ausgangspunkt der Betrachtung von Schupelius ist Berlin, die Stadt, in der er aufgewachsen ist und politisch geprägt wurde.
Der 1963 geborene Journalist stammt aus einem Elternhaus, in dem Autos und Weihnachtsgans abgelehnt wurden, sein Weg führte ihn über die Alternative Liste zu den Zeitungen von Springer und auf den Platz des Chefredakteurs des privaten Rundfunksenders Hundert,6.
Er sieht die Stadt als einen Ort, aus dem viel Schlechtes und viel Gutes gekommen ist. Und was ihn hier aufregt, ist nicht auf die deutsche Hauptstadt beschränkt. Was erregt seinen Zorn? Die Spanne reicht von der Vergangenheitsbewältigung über Linksextremismus und Clan-Kriminalität, die Bildungs- und Verkehrspolitik, die Verwahrlosung öffentlicher Anlagen, den Umgang mit Bürgerprotesten bis zur Olympiabewerbung. Ein Linker ist Schupelius bestimmt nicht und bei vielen Lesern werden seine Auffassungen auf Ablehnung stoßen, doch das stört ihn nicht, weil er sich gerne an Menschen mit ganz anderer Ansicht reibt, nicht Recht haben, sondern im Gespräch bleiben will. Aber ob auch die anderen zum Dialog bereit sind? Schupelius fragt oft nach. Das gehört zu seinem Verständnis journalistischer Sorgfaltspflicht. Oft bekommt er keine Antworten, werden ihm Interviews verweigert. Seine Fragen werden als Provokation abgetan. Wohl nicht unberechtigt, aber ist das nicht gerade einer der Gründe dafür, dass der politische Diskurs sich immer mehr nur zwischen Verdammung und Verdrängung bewegt.
Man muss die Argumente und Bewertungen von Schupelius nicht teilen. Aber unbequem sind sie doch, und sie sollten Anlass sein, über die von ihm aufgeworfen Themen nachzudenken, gerade, wenn man seine Schlussfolgerungen nicht zustimmen mag. Argumente nicht zu verurteilen, sondern zu widerlegen, sollte zum Wesen der Demokratie gehören. Denn, so zitiert der Autor den katholischen Pfarrer Josef Wienecke, „Wer keine Argumente hat, greift zur Gewalt.“ rvSchupelius, G.: Der gerechte Zorn. Langen Müller Verlag, 2024.