Im Jahre 1844 grub ein Bauer nahe der kleinen Ostprignitzer Ortschaft Herzsprung zwei bronzene Rundschilde in einem Wasserloch unter Eichenbohlen aus. Die etwa 70 Zentimeter großen und anderthalb Kilogramm schweren Schilde gelangten einige Zeit später nach Halle in das Landesmuseum für Vorgeschichte, wo die ursprünglich gefalteten Schilde fachmännisch restauriert wurden und seither interessierten Besuchern in einer Vitrine gezeigt werden. Die Archäologen waren sich von Beginn an sicher, dass diese aus lediglich 0,4 Millimeter dünnem Bronzeblech bestehenden Schilde nie im Kampf verwendet wurden, sondern als Prunk- oder Ritualgeräte dienten.
Aufgrund ihres besonderen Ziermusters, das sie von anderen Rundschilden in Mitteleuropa unterscheidet, wurden sie nach ihrem Fundort als „Herzsprung-Schilde“ bezeichnet. Ihr spezielles Erkennungsmerkmal sind die beiden u-förmigen Bögen, auch „Möndchen“ genannt, die zwei kreisförmige Rippen an jeweils einer Stelle unterbrechen. Aber auch andere Einzelheiten der Verzierung geben den Wissenschaftlern bis heute Rätsel auf, und so blieb ihnen die eigentliche Bedeutung dieser Schilde bisher verschlossen.
Den Einwohnern von Herzsprung ist in den letzten Jahren bewusst geworden, wie sehr gerade dieser Fund zu größerer Bekanntheit ihres Ortes beitragen könnte. So entschloss man sich, dem bisherigen Logo mit dem zerbrochenen Herz und dem springenden Hirsch das Schildpaar hinzuzufügen.
Zusätzlich informiert seit Oktober 2023 eine mit Bild und Text versehene Tafel in der Dorfmitte anschaulich über diese speziellen Bronzeschilde. Unter anderem werden ihr Verwendungszweck und ihre Verzierung kurz erklärt. Mehrere Vermutungen zur Deutung dieser besonderen Ornamentik werden aufgeführt, von denen allerdings keine recht überzeugen kann. So sollen die Schilde als Musikinstrumente bei Kulthandlungen gedient haben.
Einer anderen Überlegung zufolge könnte die Anzahl der kleinen gepunzten Buckel mit zwei synodischen Mondjahren korrespondieren. Aber auch die Kalenderhypothese, wonach die Buckelanzahl zwei Mondjahre mit 708 Tagen repräsentiert, ist wenig überzeugend. Einer der in Herzsprung ausgegrabenen Schilde weist zwar mit insgesamt 707 Buckeln nur eine geringe Abweichung auf, aber bei allen anderen der inzwischen 22 gefundenen Herzsprung-Schilde weicht diese Anzahl deutlich ab.
Als dritte Erklärungsmöglichkeit wird die Darstellung einer Karte mit dem Zugang zu einem heiligen Bau in der Mitte erwogen, aber genauere Angaben dazu fehlen auf der Tafel.
Eine für den ersten Moment abwegig erscheinende Hypothese kann hingegen alle Details des Ziermusters wie auch ihre Anordnung plausibel erklären: Es stellt in vereinfachter Form den Grundaufbau der am meisten gesuchten Inseln der Erde dar, nämlich der Hauptinsel von Atlantis. Um den Zusammenhang mit den Schilden zu erkennen, sei zunächst auf die am besten begründete Lösung dieses großen Menschheitsrätsels kurz eingegangen. Einer Theorie des 1998 verstorbenen norddeutschen Pastors und Privatforschers Jürgen Spanuth zufolge lag das Zentrum von Atlantis in der Helgoländer Bucht. Das heutige Felseneiland ist lediglich ein kleiner Rest der einst viel größeren Insel Althelgoland, die um 1220 vor Christus infolge einer verheerenden Naturkatastrophe versank. Ihr Grundaufbau machte sie einzigartig auf der Erde: den heiligen Bezirk in der Inselmitte umgürteten zwei Land- und drei Wasserringe. Sie war in der Bronzezeit so bedeutend, dass sie auch als Phäaken-Insel „Scheria“ in Homers „Odyssee“ und als Bernsteininsel „Elektris“ in den Sagen über die Hyperboreer Erwähnung fand. Zudem war sie das Kult-, Handels- und Wirtschaftszentrum der sogenannten Nordischen Bronzekultur, die sich von Norddeutschland über Dänemark bis nach Schweden und Südnorwegen erstreckte.
Die Fundorte aller bisher ausgegrabenen Schilde umreißen recht gut das Ausbreitungsgebiet dieser im 2. Jahrtausend vor Christus in hoher Blüte stehenden Kultur. Die Prignitz lag am Südrand der von Platon beschriebenen großen Ebene. Sie reichte auf deutschem Gebiet von der Weser bis zur Odermündung und schloss ganz Nordbrandenburg, Mecklenburg und Vorpommern mit ein. Im nördlichsten Teil des Siedlungsgebietes wiederum, nahe der Stadt Lidköping am großen Vänernsee, entdeckte 1985 ein Bauer vom Fröslunda-Hof in einem Moor gleich 16 Schilde dieses Typs. Weitere drei in Dänemark gefundene Herzsprung-Schilde sind im Nationalmuseum Kopenhagen ausgestellt.
Doch wie sind ihre Ziermuster nun im Einzelnen zu deuten? Den ersten und zugleich entscheidenden Gedanken hatte vor zwei Jahrzehnten der norddeutsche Privatforscher Hermann Zschweigert: die zwei u-förmigen Bögen, die die beiden Kreisrippen unterbrechen, stellen nichts anderes als die Brücken über die schmalen Kanäle auf der Insel Basileia dar. Des Weiteren ergaben sich auch einleuchtende Erklärungen für andere wichtige Details, beispielsweise für die beiden kräftigen Kreisrippen, die die hohen, gegen Sturmfluten schützenden Erdwälle darstellen. Oder die mehrfache radiale Buckelreihe zum Außenrand der Schilde hin, die laut Platons Angaben die 90 Meter breite und über neun Kilometer lange künstliche Wasserstraße vom Inselinneren zur Nordsee veranschaulicht.
Die kleine Lücke in der innersten Kreisleiste hingegen weist darauf hin, dass hier dieser Erdwall unterbrochen war, um Schiffen die Einfahrt in den zentralen Hafen zu ermöglichen. Dieser innere Hafen wurde allerdings nur auf wenigen Schilden als kleine kreisrunde Aussparung wiedergegeben. Weiterhin veranschaulicht der zentrale ovale Schildbuckel den natürlichen „allseits niedrigen“ Burghügel in der Inselmitte.
Den Bewohnern im Nordischen Kulturkreis war es offenbar sehr wichtig, bei Prozessionen oder anderen feierlichen Anlässen die Schilde als anschauliches Abbild ihres Zentrums mitführen zu können. Als aber diese Insel vor 3200 Jahren in der Nordsee versank, verloren die Menschen ihr Interesse daran. WSWeitere Informationen liefert das Buch „Atlantis und sein Zentrum Althelgoland“ von Günter Bischoff.