Aktuell wirken die Gärten noch sehr kahl mit vornehmlich blattlosen Gehölzen und leeren Beeten. Sind die trockenen Gräser und Stauden für den Neuaustrieb bereits zurückgeschnitten, sieht das Gesamtbild noch trister aus. Umso mehr fallen Gewächse in den Blick, die zu den Frühaufstehern des Pflanzenreichs gehören. Sie tragen weit vor allen anderen Blüten zur Schau und sorgen für Farbtupfer auf dem spätwinterlichen Grundstück. Dazu zählen etwa Zwiebelblumen wie Schneeglöckchen (Galanthus) oder Krokusse (Crocus) oder Knollengewächse wie Winterlinge (Eranthis). Doch warum blühen diese Pflanzen während einer Zeit, in der der restliche Garten noch wie im Winterschlaf erscheint?
„Die Pflanzenwelt wirkt auf uns sehr friedlich und harmonisch, tatsächlich spielt sich hier aber ein Konkurrenzkampf ab“, erklärt Michael Henze vom Bundesverband Garten-, Landschafts- und Sportplatzbau (BGL). „Jede Art will überleben und sich vermehren, doch der Platz zum Wurzeln und Wachsen und auch die Nährstoffe und das Licht sind begrenzt. Daher haben sich die Pflanzengruppen verschiedene Strategien einfallen lassen, um ihr Fortbestehen zu sichern. Auch die frühe Blüte mancher Gehölze, Stauden und Zwiebelgewächse ist im Kern die Folge einer erfolgreichen Taktik.“
Die wohl bekanntesten Frühblüher im neuen Jahr sind Schneeglöckchen (Galanthus). Frost, Wind und Wetter zum Trotz treiben sie aus und verzaubern uns Menschen mit reinweißen Blütenköpfen. Dass diese Waldbewohner schon im Februar oberirdisch aktiv werden, ist Kalkül. Denn unter Laubgehölzen ist ausreichend Licht rar, mit einer Ausnahme: im Winter. Daher erscheinen Schneeglöckchen schon vor dem Laubaustrieb der Bäume, um vom zu diesem Zeitpunkt noch reichlich vorhandenen Lichtangebot zu profitieren.
Damit ein so frühes Austreiben möglich ist, besitzen Schneeglöckchen Zwiebeln. Diese sind im Erdboden vor starker Kälte geschützt und dienen als Speicherort für wichtige Reservestoffe wie Stärke oder Mineralstoffe. „Pflanzen mit unterirdischen Überdauerungsorganen nennt man Geophyten, also Erdpflanzen. Nicht immer handelt es sich dabei um Zwiebeln, es können auch Knollen oder Rhizome sein“, weiß Michael Henze vom BGL. „Andere Geophyten sind zum Beispiel Krokusse, Winterlinge oder auch Busch-Windröschen.“
Der Lebenszyklus dieser Frühaufsteher ist im Vergleich zu den anderen Gartenpflanzen verschoben. Im späten Frühjahr lagern die Pflanzen die Nährstoffe aus ihren Blättern in ihren Überdauerungsorganen ein, um auch im nächsten Jahr wieder frühzeitig erblühen zu können. Anschließend ziehen sie sich zurück und sind für die kommenden Monate oberirdisch von der Bildfläche verschwunden. Unterirdisch wird dann aber bis zum Herbst die neue Pflanze angelegt.
„Würde man kurz vor dem Winter eine Narzissen- oder Tulpenzwiebel vorsichtig öffnen, käme eine Miniaturvariante der späteren Pflanze im Innern zum Vorschein“, so Henze. „Das ermöglicht das frühe und vor allem schnelle Austreiben.“ net