Die intellektuelle
Hummel aus Budapest

Cover: Verlag
Möglicherweise wäre die Weltgeschichte anders verlaufen, wenn es dem ungarisch-deutschen Physiker Leó Szilárd nicht gelungen wäre, noch am 30. März 1933 Deutschland unbeschadet zu verlassen. Ob die Amerikaner dennoch 1945 über die Atombombe verfügt hätten, oder vielleicht Hitler, das ist Spekulation. Keine Spekulation ist aber, was Arne Molfenter über den jungen Mann aus Budapest zu erzählen weiß, der 1920 nach Berlin kam, um Physik zu studieren.

Wer war dieser Mann, der schon als Student mit Einstein befreundet war und heute im Schatten von Fermi und Oppenheimer steht? Er gehört zu den Vätern der Atombombe, wandte sich schon vor Hiroshima entsetzt gegen den Einsatz dieser Waffe, kämpfte für atomare Abrüstung und fand in der Gedächtnis- und Altersforschung sein letztes Betätigungsfeld.

Szilárd galt als wissbegierig, beharrlich, exzentrisch und vor allem respektlos. Mit dieser Respektlosigkeit überwand er die Distanz zu den Klügsten der Physik, die in den 20er Jahren in Berlin versammelt waren, um die Geheimnisse des Verhaltens von Molekülen und Atomen zu ergründen, promovierte bei Max von der Laue, lehrte mit Lise Meitner zu Fragen der Atomphysik und konstruierte mit Albert Einstein eine elektromagnetische Kühlpumpe, um Unfälle mit Haushaltskühlschränken zu vermeiden. Nach seiner Flucht sorgte sich Szilárd darum, dass deutsch-jüdische Wissenschaftler im Ausland Asyl fanden. Über Wien gelangt der rastlose Mann nach London und entwickelte bei einem Spaziergang auf der vielbefahrenen Southampton Road die Theorie der Kettenreaktion, durch die die bisher als unsinnig verworfene Atombombe Wirklichkeit werden konnte. Er befürchtete, dass auch Wissenschaftler in Deutschland zu diesem Schluss kommen und schneller sein könnten. Unter größter Geheimhaltung warb er vergeblich für die Bombenforschung und siedelte 1937 resigniert in die USA über. Als Otto Hahn und Fritz Straßmann 1938 ausgerechnet in Berlin die Kernspaltung gelang, schöpfte er neuen Mut. Was danach in Rjukan, Chicago, Los Alamos und Socorro geschehen ist, beschreibt Molfenter in seinem spannenden und detailreichen Sachbuch über einen genialen Wissenschaftler, der damit leben musste, einen Prozess in Gang gebracht zu haben, der die Gefahr einen Atomkrieges bis heute real sein lässt. rv

Molfenter, A.: Leó Szilárd – Der Mann hinter der Bombe. S. Hirzel Verlag, 2025.

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