„Ich bin hier gelandet, weil es eine Krabbelgruppe gibt“, sagt Janine*. Die 33-jährige Mutter der Zwillinge wohnt in Neustadt (Dosse) und kommt regelmäßig zu Treffen ins Familienzentrum Wusterhausen. „Der Austausch mit anderen Müttern ist das A und O“, sagt die Grundschullehrerin. Dabei geht es um Bauchschmerzen der Kinder, Zähnekriegen oder passendes Spielzeug. „Hier hat man Ruhe, weil sich auch andere mal kurz um die Kinder kümmern“, sagt Janine. Zudem gebe es im Familienzentrum Wusterhausen Platz, damit die Kinder krabbeln können, stimmt Nathalie zu. Die 33-Jährige aus Kyritz ist mit ihrem sechs Monate alten Erich seit gut drei Monaten regelmäßig im Familienzentrum. „Man kann hier das Bällebad und auch die kleine Kletterwand ausprobieren“, sagt Nathalie.
Den Kleinkindern tue das Zusammensein mit Gleichaltrigen gut, sagt Janine. „Dann gewöhnen sich die Kinder schneller an die Kita.“ Diese Erfahrung hat Janine zumindest mit ihrer Tochter Charlotte gemacht, die inzwischen zwei Jahre alt ist. „Ich habe schon damals die Zeit im Familienzentrum sehr genossen und habe noch heute Kontakt zu anderen Müttern“, sagt sie.
„Hier entstehen nicht nur Netzwerke, sondern auch Freundschaften“, sagt Bettina Archut. Die 63-Jährige ist Koordinatorin des Familienzentrums in Wusterhausen, das von der Arbeiterwohlfahrt (AWO) betrieben wird. Die gelernte Erzieherin und Grundschullehrerin lädt in der Woche fast täglich zu Begegnungen in das Zentrum in der Domstraße 4 ein: Dienstags geht es nach einem Frühstück von 9 bis 12 Uhr um die Kindesentwicklung im ersten Lebensjahr, mittwochs um einen offenen Austausch mit anderen, donnerstags um Knirpsensport für ein- bis dreijährige Kinder.
In den Sommerferien gibt es zudem montags ein Ferien-Kreativprogramm sowie freitags zusätzliche Angebote wie eine Ferienküche, einen Ausflug zum Strandbad Wusterhausen oder Kinderkino.
Hinzu kommt mittwochs von 14 bis 18 Uhr ein Seniorennachmittag. Dort können bei Kaffee und Kuchen Karten- und Brettspiele gespielt werden. „Wir haben hier eine Wohlfühl-Atmosphäre“, sagt Archut. Das funktioniere aber nur, weil man mit dem Familienzentrum in Wusterhausen einen festen Begegnungsplatz habe. An diesem werden auch Spenden gesammelt und übergeben, wie etwa für das Übergangswohnheim in der Dossestadt.„Wusterhausen mit seinen 22 Ortsteilen ist ein zentraler Punkt im ländlichen Raum“, so Archut. Sie hat vor etwa drei Wochen erfahren, dass das Familienzentrum zum Jahresende vor dem Aus steht. Der Grund: Der Landkreis will ab 2026 nur noch Geld für sogenannte „familienunterstützende Hilfen“ geben, wenn diese Hilfen mobil angeboten werden.Der Landkreis spricht von einem „Perspektivwechsel“ und begründet dies damit, dass in den vier Familienzentren – neben Wusterhausen gibt es auch in Kyritz, Rheinsberg und Wittstock eines – zu wenige Familien erreicht würden. Zudem reiche das Geld nicht, um weitere Familienzentren zu eröffnen. Allerdings wurden allein in den zwei Zentren in Kyritz und Wusterhausen 2024 mehr als 5500 Besuche gezählt.
„Für mobile Angebote braucht man ein Auto“, sagt Archut – und zudem Räume für die Angebote. „Die Schulen und Turnhallen sind voll und zudem für Babys meist zu kalt“, sagt Zwillingsmutter Janine. Sie fragt sich zudem, ob Bällebad, Kletterwand und Babywippen künftig von Ort zu Ort transportiert werden sollen.Ohne Treffpunkt werde der Austausch mit anderen Müttern fehlen, sagt Theresa aus Neustadt, die mit Töchterchen Ida (neun Monate) zur Krabbelgruppe nach Wusterhausen gekommen ist. Die 27-Jährige kritisiert, stets werde bei der Bildung und der Familie als Erstes gespart.
Dabei sei der soziale Austausch nicht nur für die Mütter und Väter, sondern auch für die Kinder wichtig, sagt Emily. Die 35-Jährige aus Großderschau im Havelland ist am Dienstag zum ersten Mal mit ihrem vier Monate alten Sohn Ferdinand im Familienzentrum in Wusterhausen. „Ich hätte nicht erwartet, dass es hier so viele Angebote gibt“, sagt Emily. Auch ihr Sohn ist mit großen Augen dabei. „Er ist wie ausgewechselt, dabei hatte er heute Morgen noch schlechte Laune.“
Über die geplante Neuordnung wird Mitte September der Jugendhilfeausschuss des Kreistages in Neuruppin beraten. Derweil werden in Kyritz und Wusterhausen schon Unterschriften gegen diesen Plan gesammelt. Allein in Wusterhausen sind innerhalb einer Woche mehr als 60 Unterschriften zusammengekommen. „Wir wollen dem Landkreis zeigen, wie viele Familien betroffen sind“, sagt AWO-Koordinatorin Archut. Andreas Vogel*Die Mütter wollten nicht mit ihrem vollen Namen in der Zeitung stehen.