Mara Laue benötigt keine lange Vorrede. Wer ihr Buch „MacFarlanes Schuld“ zur Hand nimmt, landet direkt im Wohnzimmer des schottischen Landsitzes Alban Hall in einer polizeilichen Ermittlung. Das Oberhaupt der Familie, Connor MacFarlane, ist mit Cadmium ermordet worden, der Verdacht seiner Kinder richtet sich gegen den zweitältesten Sohn Elliot. Und das aus guten Gründen, wie sich schnell herausstellt. Die Autorin, die schon als Zwölfjährige mit dem Schreiben begonnen hat, und hier ihr 100. Buch vorlegt, lässt die Leser dann nicht mehr los. Wie in einem Kammerspiel ist die Zahl der handelnden Personen begrenzt und überwiegend auf die Familie beschränkt. Einer von denen muss der Täter sein, ein MacFarlane hat Schuld, aber welcher oder welche? Mara Laue verzichtet auf umständliche Ausschmückungen, Beschreibungen der Landschaft und ablenkende Äußerlichkeiten der Akteure. Sie konzentriert sich auf das gesprochene Wort, charakterisiert die Beteiligten vor allem über die Dialoge, die durch Reflexionen, Zweifel, Überlegungen der ermittelnden Kriminalisten und gelegentliche Gespräche mit Zeugen und Freunden bewertet und kommentiert werden. Die zügigen Abläufe ohne verwirrende Rückblenden und Verästelungen verleihen dem Roman eine große Dynamik. Der geübte Krimileser wird bald seine eigene Interpretation des Tatgeschehens entwickeln. Wie die drei Todesfälle in der Familie jedoch tatsächlich zusammenhängen, enthüllt sich erst zum Schluss. Denn die Dinge sind, weiß Jenna Keith, Rechtsanwältin und Lebensgefährtin des Detective Chief Inspectors Wallace, nicht immer so, wie sie scheinen.
Clanstrukturen bestimmen das traditionelle gesellschaftliche Leben in Schottland seit dem 12. Jahrhundert und wirken bis heute fort. Ihre Ehrbegriffe sind zeitlos, auch wenn die Handlung in der Gegenwart angesiedelt ist. Dass die Verdächtigen als Ingenieure, Goldschmiede, Künstler oder Whiskyhändler arbeiten und Mobiltelefone und Laptops für sie zum Alltag gehören, kann sich neben verborgenen Gängen, Geheimfächern und den Ritualen beim gemeinsamen Frühstück mit Porridge, Bohnen, Haggis und Blutpudding gut behaupten.
Ein spannendes Lesevergnügen. Und wer sich dazu den passenden Whisky gönnt, sollte beachten – Genießer trinken ihn ohne Eis. rvLaue, M.: MacFarlanes Schuld. Dryas, 2025.