Vielleicht reichtdie Liebe nicht

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Der Roman beginnt im Herbst 1979 in London, doch das stimmt eigentlich nicht, denn er beginnt gleichzeitig im März 2017. Er wird erzählt in zwei Zeitebenen, die erst spät zusammengeführt werden und getragen sind von zwei Hauptfiguren. Da ist die 18-jährige Milly, sie kommt 1979 aus dem County Louth in Südirland in die britische Hauptstadt und arbeitet im Pub von Mrs Oak als Bartenderin. Pip, der eigentlich Philip heißt, war schon als Kind aus Irland nach London gekommen, ein ehemalige Lehrerstudent mit einer vielversprechenden Boxerkarriere. Dazu ist er ein Mann, der sich für Literatur interessiert und sehr gut und sensibel mit Menschen umgehen kann, mit dem Alkohol allerdings nicht. Eine Hassliebe verbindet ihn mit seinem Bruder, dem Startrompeter. Der Nordirlandkonflikt spielt in das Leben der Menschen hinein, ist aber nicht dominant. In mehrfacher Hinsicht krank, kehrt Pip 2017 mit etwa 60 Jahren und Bauchansatz nach langer Abwesenheit ins Leben zurück und trifft wie schon 38 Jahre zuvor auf Milly.

Was die beiden prägt, verbindet, trennt, sie aufeinander zu gehen lässt und wieder auseinander bringt, erzählt Christine Dwyer Hickey mit Nachdenklichkeit, Reflexion und vielen Erinnerungen.

Einiges aus dem Leben von Milly und Pip bleibt im Dunkel. Nicht alle Geheimnisse erfährt man über die Hauptpersonen, ihre Familien, Partner und Kinder, die Arbeitskollegen und Freunde. Und auch das Finale der Beziehung dieser beiden Menschen, die nicht voneinander loskommen können, bleibt trotz aller Hoffnung am Ende offen.

Genau Milieu- und Personenschilderungen sowie der Wechsel von spannendem Geschehen und Reflexionen, Rückblicken, Gedankenspielen und Erwägungen zeichnen den Stil der Autorin aus, die 1958 in Dublin geboren, durch Romane, Kurzgeschichten und Theaterstücke nicht nur in Irland bekannt wurde. Sie wurde unter anderem mit dem renommierten britischen Walter Scott Prize ausgezeichnet.

Das Buch fordert den Leser heraus, denn er bekommt keine geradlinige, zügig erzählte und zu einem Happy End führende Handlung, sondern er muss sich Zeit nehmen, um in die Tiefe der Figuren einzutauchen, in Liebe und Verlust, in alle ihre Leben. Ein Roman, der lange nachklingt. rv

Dwyer Hickey, Christine: Alle unsere Leben. Unionsverlag Zürich, 2025.

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