Der 28 Jahre alte Wittenberger Tobias Timpe tritt den Gegenbeweis an. Er begann 2020 mit dem Besuch der Meisterschule in Schwerin und steht nun stolz neben seinem Meisterstück, einer Getränkebar aus Eichenholz.
2014 begann er seine Gesellenausbildung in der Tischlerei von Peter Erhorn in Zwischendeich, die er 2017 erfolgreich abschloss. Der Chef schwärmt von seinem ehemaligen Gesellen, nun Meister: „Ich freue mich über Tobi“, sagt Erhorn. „Wenn er auf einer Baustelle mit dabei ist und man gerade ein Problem hat, kann er immer beruhigend auf mich einwirken und hat eine Lösung parat.“
Die Chemie zwischen den beiden stimmt. So schwärmt Peter Erhorn weiter: „Tobi hat auch immer viele Zimmerer-Aufgaben übernommen. Das gehört am Ende mit dazu, denn wir sagen immer wir sind eine ‚Klamotten-Tischlerei‘, wir machen alles“, sagt der Chef. „Die Saunen in der Therme in Bad Wilsnack sind beispielsweise auch alle von uns.“
Natürlich werden auch Maßanfertigungen für Privatkunden gefertigt: „Wir hatten auch eine Kundin, die wegen Corona ein Home Office in einem kleinen Turmzimmer eingerichtet haben wollte. Da haben wir ihr einen maßgefertigten Schreibtisch in ihr Türmchen gebaut“, erinnert sich Erhorn.
Dass sein ehemaliger Geselle nun einen Meistertitel hat, freut den 58-jährigen auch aus einem ganz anderen Grund: „Ich werde ja auch älter und wir wollen uns nun künftig mal zusammensetzen, wie es hier weiter geht.“ Er könne sich vorstellen, dass sein ehemaliger Lehrling die Tischlerei übernehmen könnte, die Details müsse man aber noch besprechen. Um einen Betrieb überhaupt erst übernehmen zu können, braucht es einen Meistertitel – das weiß auch Timpe. „Der Meistertitel gibt mir die Möglichkeit, selbst auszubilden“, sagt er. „Das finde ich auch wichtig.“
Nicht alle halten den Anforderungen in der Meisterschule stand: „Zu Beginn waren wir zehn Meisterschüler, einen haben wir unterwegs verloren, der hat abgebrochen“, erzählt Timpe. Zu seinen Kollegen in der Meisterschule zählten vor allem viele Tischler aus dem Wendland, aber auch aus Lübeck.
Dass Timpe kaum Kollegen aus der Prignitz hatte, ist auch der geografischen Lage der Handwerkskammer in Schwerin geschuldet. Ein Fakt, den auch der stellvertretende Obermeister Heiko Wegner kritisiert: „Wichtig wäre es vor allem, dass die Ausbildungsstätten zentraler liegen würden.“
Obermeister Uwe Oppermann stimmt dem zu. „Wenn es am OSZ Wittenberge eine Beschulung geben könnte, wäre das ein großer Vorteil“, sagt er. „Die Innung hatte dazu auch Gespräche geführt, die allerdings ohne Ergebnis verliefen.“
Der Grund hierfür seien die sinkenden Ausbildungszahlen – der Bedarf für einen weiteren Standort sei allein mit den Zahlen nicht zu rechtfertigen, so Oppermann.
So bleiben Menschen wie Tobias Timpe eine Rarität. „Noch bin ich jung, noch kann ich vieles schaffen. Das hat mich auch ermutigt, meinen Meister zu machen“, sagt er. Er würde sich wünschen, dass sich mehr Menschen für das Tischlerhandwerk begeistern: „Es ist so ein abwechslungsreicher Beruf. Kein Tag ist wie der andere, mir gefällt‘s.“ Julia Westermann