Das Gehirn muss lernen, Reize zu verarbeiten, die das Ohr aufnimmt. Von Bedeutung ist vor allem die kognitive Entwicklung, wie Eberhard Schmidt erklärt, der sich als Pädakustiker unter anderem mit der Anpassung von Hörgeräten bei Kindern beschäftigt. Nicht zuletzt für die Sprachentwicklung sei das Gehör zentral, so Schmidt, der auch Präsident der Bundesinnung der Hörakustiker (Biha) ist. Ein Kind, das schlecht hört, habe es schwerer, sprechen zu lernen. Dazu sei es wichtig, dass das Gehör nicht schon früh geschädigt wird.
Das System ist zwar grundsätzlich gut darin, sich wieder zu erholen, wenn auf Phasen von Lärmbelastung Pausen folgen. Aber nicht unbegrenzt. Es sei ein Spiel auf Zeit, sagt Eberhard Schmidt: „Je mehr ich mich in meinem Leben mit lauten Geräuschen belaste, desto schneller ist der Vorrat an Erholungsdosen für das Ohr aufgebraucht. Dann wird man vielleicht nicht erst mit Anfang 70 schwerhörig, sondern vielleicht schon mit Anfang 60.“ Und deshalb brauchen Kinder- und Erwachsenenohren in besonderem Maße Erholung – nicht nur das Hörorgan an sich, sondern auch das Gehirn, das diese Eindrücke verarbeitet. „Je lauter diese Reize sind, desto eher ist auch unser Gehirn gestresst“, sagt Schmidt.
Dabei ist Lärm nicht gleich Lärm. Was auf Dauer Schaden anrichten kann, ist zunächst sogenannter Impulslärm, „wenn es aus einer leisen oder normalen Lärmumgebung heraus schlagartig sehr laut wird“, wie Bernhard Junge-Hülsing vom Berufsverband der Hals-Nasen-Ohren-Ärzte erklärt. Das kann etwa der Luftballon sein, der beim Kindergeburtstag zum Platzen gebracht wird, Trillerpfeifen oder auch anderes.
Wie etwa Schießlärm – den Kinder durchaus beim Spielen von Ego-Shootern, also Schießspielen im Netz, in den Ohren haben können. Eberhard Schmidt verweist dabei auf eine Metastudie, die zeigen konnte, dass beim Gaming Lautstärken von über 90 Dezibel nicht unüblich sind. Dazu kommt, dass der Lärm oft mehrere Stunden auf die Ohren trifft – und so zum Dauerlärm wird. Während wir Impulslärm als schmerzhaft und unangenehm erleben, besteht bei Dauerlärm das Problem, dass wir uns an diese Lautstärken gewöhnen können. Und wir unterschätzen dann, dass sie Schaden anrichten können.
Extremer Lärm ist aber manchmal gar nicht so einfach zu erkennen, wie Bernhard Junge-Hülsing sagt. „Zum Beispiel, wenn man Kinder auf die Rückbank eines Cabrios setzt – dort gibt es sehr laute Windgeräusche.“ gdOb Fußballstadion oder Festival, ein zeitweiliger Gehörschutz kann nicht nur für Kinder von Vorteil sein. Dafür eignet sich etwa ein sogenannter Kapselgehörschutz, teils auch „Micky Maus“ genannt. Er hat allerdings den Effekt, dass er den Umgebungslärm stark wegnimmt und den Nutzer akustisch von seiner Umgebung trennt. Diesen Nachteil haben Gehörschutzlösungen, die vom Hörakustiker oder der Hörakustikerin individuell an das Ohr angepasst werden, nicht unbedingt. Sie können aber durchaus 100 Euro und mehr kosten.
Beim Konsum von Geräuschen über Kopfhörer muss es gerade bei Kindern Pausen geben. Fachleute raten, alle ein bis zwei Stunden eine Lärmpause von 30 bis 60 Minuten einzulegen. Bei Geräten wie Tablets sollte kontrolliert werden, das sie nicht zu laut sind und von Kindern auch nicht zu laut gemacht werden können.
Wenn Jugendliche die Welten des Gamings, der Musik, des Feierngehens für sich entdeckt haben, ist Sensibilisierung für die Gefahren von Lärm wichtig. Das kann über Vergleiche gelingen: Etwa, dass Lautstärken, die ein Presslufthammer oder ein startendes Flugzeug hat, auch in Diskos erreicht werden.