Für Kinder ist Weihnachten ein Fest der Geheimnisse. Seit jeher spielen für die Entwicklung des kindlichen Denkens Zaubergestalten eine große Rolle. Feen und Hexen, Engel und Trolle, Zwerge und Riesen können helfen, sich in einer Welt zu orientieren, die auch von den Erwachsenen oft als kompliziert und unverständlich empfunden wird. Wie kann es sein, dass Flugzeuge durch die Luft fliegen, obwohl sie tonnenschwer sind? Warum fängt eine Lampe an zu leuchten, wenn unsichtbarer elektrischer Strom sie durchfließt? Was passiert mit einem Menschen, wenn er stirbt? Wo war ich vor meiner Geburt? Auf schwierige Fragen keine Antwort zu haben, ist einfacher, wenn die Welt ohnehin von geheimnisvollen Gestalten bewohnt ist.
Der Weihnachtsmann ist eine dieser Gestalten. Ein offenbar gütiges Wesen, dass alle Kinder beschenkt, und oft auch die Erwachsenen. Sein Erscheinen kündigt sich jedes Jahr schon Wochen vorher durch seltsame Rituale an. Es werden Kerzen an Gestecken angezündet, die es zu anderen Zeiten im Jahr nicht gibt. Es wird Gebäck gegessen, das für diese Wochen reserviert ist. Die Menschen bummeln bei Eiseskälte über speziell für diese Jahreszeit eingerichtete Märkte voller spannender Dinge. Und es werden besondere und manchmal unverständliche Lieder gesungen. Kinder sind elektrisiert von solchen Mysterien. Oft wollen sie die mit dem Weihnachtsmann verbundenen Geheimnisse selbst dann nicht lüften, wenn sie eigentlich schon ahnen, wer wirklich hinter den Geschenken steckt. Allerdings haben sie es heutzutage schwerer als früher, schließlich geht im vorweihnachtlichen Trubel das Geheimnisvolle oft ganz unter.
Forschern zufolge verlieren Kinder in der Regel beim Übergang ins Schulalter den Glauben an den Weihnachtsmann. Dieser Schritt vollzieht sich meist nach und nach – und oft nicht vollständig. So ahnen schon Drei- oder Vierjährige, dass etwas nicht stimmen kann mit dieser sagenhaften Gestalt im roten Mantel, die alle Kinder am gleichen Tag beschenkt. Sie akzeptieren sie trotzdem, weil die Eltern als die Personen, die ihr Vertrauen haben, bei den Weihnachtsritualen mitmachen. Mutter und Vater müssen dafür nicht aktiv etwas erzählen von der Fahrt des Alten im Rentierschlitten oder dem heimlichen Eindringen durch den Schornstein. Schon das Anzünden von Adventskerzen und das Aufstellen eines Weihnachtsbaums reichen, um die Gesamtheit der weihnachtlichen Erzählungen zu beglaubigen.
Als Vertrauensbruch erleben es Kinder in aller Regel nicht, dass ihre Eltern ihnen nicht früher die Wahrheit über den Weihnachtsmann erzählt haben. Im Gegenteil: Die meisten sind stolz, dass sie selbst herausgefunden haben, was es damit auf sich hat. Und sie lieben weiter die mit dem Weihnachtsgeheimnis verbundenen Rituale. Eltern sollten daher ihren Kindern nicht aus einem Aufklärungsbedürfnis heraus den Glauben an Santa Claus ausreden. Britischen Forschern zufolge regen die Geschichten um den weihnachtlichen Geschenkebringer die kindliche Fantasie an und fördern bei ihnen den Sinn für das soziale Miteinander. Und die Erinnerung an die geheimnisvolle Weihnachtszeit der Kindheit hüten oft noch die Jugendlichen und Erwachsenen als glückliche Momente. net