Wichtig war die vorausgehende Fastenzeit. Wie heute noch zwischen Aschermittwoch und Ostern teilweise praktiziert, galt damals vor Weihnachten eine 40-tägige Zeit der Enthaltsamkeit. Fasten, das hieß, auf Fleisch und tierische Produkte zu verzichten. „Der Stollen war damals ein Fastenessen“, erklärt die Historikerin. Dazu musste er ohne Butter zubereitet werden, aus Früchten, Mehl und Rapsöl zum Beispiel. Es sind aber sogenannte „Butterbriefe“ überliefert, erzählt Simone Wagner, in denen beispielsweise Klöster darum baten, ausnahmsweise auch das tierische Fett verwenden zu dürfen.
Wohlhabende Bürger und Adelige des Spätmittelalters aßen in der Fastenzeit vor Weihnachten gerne Lebkuchen, auch Pfefferkuchen genannt. Der Fernhandel nahm im 14. und 15. Jahrhundert zu und erlaubte die Einfuhr exotischer Gewürze wie Zimt, Muskat und Nelken, allgemein als „Pfeffer“ bezeichnet. Wer Lebkuchen mit vielen Gewürzen backen konnte, zeigte seinen Reichtum. Aus Klöstern wurden teils Lebkuchen an hochgestellte und wichtige Personen verschenkt, um Beziehungen mit ihnen zu pflegen.
Zur Fastenzeit gehörte auch sexuelle Enthaltsamkeit. Es sind allerdings aus dem Mittelalter keine Belege erhalten, ob sich die einfachen Leute daran hielten. Anders war es in der frühen Neuzeit, so Simone Wagner, aus der sich mit Geburtslisten belegen lässt, dass die Zahl der Zeugungen in der Fastenzeit tatsächlich teilweise niedriger gewesen sein muss.
Ein Höhepunkt der Weihnachtszeit dürften die im Spätmittelalter aufgekommenen Krippenspiele gewesen sein. „Sie betonten die menschliche Seite von Christus, das Baby in der Krippe“, sagt Mittelalterexpertin Simone Wagner. Der erste Beleg für eine Krippe wird Ordensgründer Franz von Assisi zugeschrieben, der 1223 im Bergdorf Greccio bei Rom erstmals die Weihnachtsgeschichte nachstellen ließ und dazu Ochs und Esel ins Geschehen brachte. Besondere Rituale bestimmten auch das Kinderbischofsfest am 28. Dezember, das an den Kindermord unter Herodes erinnerte und bei dem ein Kind als Bischof kostümiert wurde. Wichtig war zudem das Narrenfest am 1. Januar, das vielerorts ausgelassen gefeiert wurde.
Viele Elemente der heutigen Weihnacht fehlten im Mittelalter. Es gab keine Geschenke, die wurden zum Nikolaustag am 6. Dezember an Kinder verteilt. Und unsere volkstümlichen Weihnachtslieder sind erst ab der Reformation entstanden. In den Kirchen des Mittelalters bestimmte die lateinische Liturgie den Ablauf.Zur Alltagsgeschichte des Mittelalters gibt es allerdings noch große Wissenslücken, sagt Simone Wagner. Ulrich Nettelstroth