Der Glaube gab ihr innere Kraft in der Jugend und als sie im Alter von 14 Jahren ihr Coming-out hatte. „Der Glaube an Gott trug mein Leben, gab mir Sicherheit. Ich reformiere die Kirche”, beschloss Anna Trapp damals. Also packte sie ihre Sachen, ging zu ihrem Professor und berichtete von ihrem Entschluss, Theologie zu studieren. Der riet ihr, nicht weiter an der FU zu studieren.
„Es braucht drei Fremdsprachen, um Theologie studieren zu können. Latein hatte ich schon. Im Feriensprachkurs begann ich dann erstmal mit Hebräisch an der KiHo in Bielefeld-Bethel. Die KiHo gibt es heute nicht mehr.”
Im Anschluss folgte das Theologiestudium an der Humboldt-Universität Berlin. „Ich studierte viele, viele Semester. Das war von 2005 bis 2013”, erinnert Anna Trapp sich. 2013 begann ihr Vikariat. Das dauerte 27 Monate, davon sechs Monate in der Schule als Religionslehrerin. Den Gemeindedienst leistete sie in der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche in Berlin Charlottenburg.
„Am 31. Dezember 2015 hatte ich meinen letzten Gottesdienst. Mit dem letzten Glockenschlag am Silvesterabend um 24 Uhr endete mein Vikariat.” Nun hatte sie zwei theologische Examen in der Tasche.
Im Jahr 2016 wurde sie im Entsendungsdienst nach Bad Wilsnack geschickt. „Natürlich hat man im Entsendungsdienst auch selbst ein Wörtchen mitzureden, wo man hingeschickt wird. Meine Prämisse war es, möglichst dicht an die Grenze zur mitteldeutschen Kirche zu kommen, um die Entfernung zwischen meiner Partnerin und mir zu verkürzen. Friederike bewarb sich damals nämlich als Pfarrerin in Jerichow”, berichtet sie. Vorher hatten sie, bedingt durch ihre Arbeitsstellen, eine Entfernung von 400 Kilometern zu überwinden, was sich natürlich nicht einfach gestaltete. 2014 hatten sich die beiden im Predigerseminar in Lutherstadt Wittenberg kennengelernt.
Also kam Anna Trapp im Jahr 2016 nach Bad Wilsnack, um den hiesigen Pfarrer Daniel Feldmann zu entlasten. Nachdem Daniel Feldmann nach Kyritz ging, wurde sie als Pfarrerin gewählt. „In die Wunderblutkirche zu kommen war ein Geschenk obendrauf. Ich wurde hier sehr herzlich empfangen”, freut sie sich. „Ich dachte, ich mache hier was und die Leute kommen in Strömen. Dem war aber nicht so. Ich habe festgestellt, dass man auch Menschen braucht, die das Interesse dazu haben. Mit denen, die Interesse haben, erlebt man dann aber besondere Momente.”
Die Pfarrerin fuhr durch den Kirchenkreis, traf Leute und sah, wie die ihr Leben gestalten. Dabei erlebte sie ganz wunderbare und intensive Begegnungen. „Die Gemeinde pflegte hier schon ohne mich eine offene Willkommenskultur, in der ich mit meiner Art gut andocken konnte.”
Zu ihren neueren Projekten zählen seit etwa einem Jahr die jungen Pfadfinder. „Im Gemeindegarten und in der Natur erleben wir spielerisch Abenteuer. Es ist eine intensive und etwas andere Art von Arbeit mit den Kindern und Jugendlichen. In der jüngeren Gruppe sind Kinder im Alter ab sechs Jahren dabei, die etwas ältere Gruppe ist für Kinder ab neun Jahren gedacht.
„Wir hatten in den vergangenen Jahren viel Arbeit mit unserem Großprojekt Kirchensanierung. Ich selbst bin eher Unterstützerin als eine, die Projekte anstößt”, meint sie. „Die Glocke kommt zurück” beispielsweise ist ein Projekt, das Christian Richter mit dem Förderverein der Wunderblutkirche angestoßen habe.
Dann gibt es in Kletzke die Gruppe „Wein und Gespräch”, die Andrea van Bezouwen aus dem Boden stampfte und durchführt. „Die Leute treffen sich, sitzen auf den Pfarrhaustreppen und sprechen über verschiedene Themen. Sie haben auch schon Pizza zusammen gebacken und Wandertouren unternommen. Es sind überwiegend Leute der mittleren Altersgruppe, die man sonst weniger in der Kirche findet”, beschreibt die Pfarrerin.
Im April 2024 gab es mit „Sanctum” eine Rave-Party in der Wunderblutkirche. Mit Techno, Rave und House waren für ein Gotteshaus ungewöhnliche Klänge zu hören. „Die Grundfrage war, wie wir unser Konzertangebot erweitern können. Ilka Soltmann vom Förderverein kam die Idee, Roy Hartung zu fragen und es als ein Konzert im Jahr einzuplanen”, berichtet sie. Roy Hartung sei bekannt als professioneller Veranstalter und die Veranstaltung in der Kirche sei absolut professionell abgelaufen, lobt sie. „Wir haben den Kirchenraum geöffnet. Die Gäste haben Erfahrungen in dieser besonderen Atmosphäre gemacht. Der Raum macht etwas mit einem. Sie konnten es nur nicht gleich beschreiben. Ihre Erfahrungen nehmen sie mit”, blickt Anna Trapp auf die Veranstaltung zurück. So biete die Kirchengemeinde den Platz, auch einmal verrückte Sachen auszuprobieren.
Über das kostenfreie WLAN-Netz „Godspot” in der Kirche sagt sie nur: „Ach, das ist doch nichts besonderes. Die anderen Kirchen wollten es eben nicht und wir haben Ja dazu gesagt.”
„Die Kirche ist aber nicht offen für alle Sachen. Sie hat eine Haltung und die ist auch sehr entschieden”, betont die Pfarrerin angesichts des politischen Rechtsrucks in Teilen der Gesellschaft. Etlichen Leuten sei das Gefühl für Dankbarkeit abhanden gekommen. Missgunst sei immer öfter zu spüren. „Es gibt Leute, die anderen die Butter auf dem Brot nicht gönnen, wenn sie es sich nicht hart erarbeitet haben”, beklagt sie. Ihre Sorge darüber ist deutlich zu spüren. „Wer sich allerdings einbringen, etwas bewegen und für seine Mitmenschen tun möchte, bekommt auch die Möglichkeiten dazu.”
Während der Corona-Krise musste kein Gottesdienst ausfallen. Die Wunderblutkirche bietet genug Platz, um den gebotenen Abstand zu halten. Seit Corona werden Gottesdienste auch online übertragen. „Wer zu Hause blieb, konnte sich zuschalten. Damit erreichen wir heute auch Menschen außerhalb der Prignitz. Manchmal ist es nicht verkehrt, wenn man gezwungen ist, Dinge anders angehen zu lassen. Eine der Treuesten kommt aus Finnland”, freut sie sich, und zeigt sich dankbar, die Corona-Zeit so gut überstanden zu haben.
2019 heirateten Friederike und sie. Ihre Frau arbeitet als Krankenhausseelsorgerin in der Prignitz. Der gemeinsame Sohn ist fast zwei Jahre alt. „Jonathan ist unser großes Glück. Gott hat ihn uns geschenkt”, freut sich die 38-Jährige und strahlt. Jens Wegner