Luther wollte gerade den Fernseher ausschalten

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Der große Reformator aus Wittenberg? Für einen Satiriker ist das möglich. In seinen „kleinen Geschichten“ lässt der Schriftsteller Peter Köhler große Geister der Menschheit auferstehen, bedient sich biografischer Daten ebenso wie der Überlieferungen ihrer Schrullen und Gewohnheiten und verknüpft sie mit dem modernen Leben unserer Zeit.

Dabei bleibt es nicht bei dem wortgewaltigen Luther, dessen vegetarische Tochter ausruft: „Wer Fleisch isst, vergeht sich an Gottes Schöpfung“. Jenny Marx träumt vergeblich von einem geregelten Leben, als ihr Karl im Lotto gewinnt. Jesus überlebt die Kreuzigung, genießt als Rentner himmlische Ruhe, wenn er sein Hörgerät leise stellt. Für die gebliebenen Schmerzen an Fuß- und Handgelenken nimmt er Voltaren.

Die wohlbeleibte Maria Theresia bekommt von ihrem Sohn und Mitregenten Joseph die Empfehlung, morgens Gymnastik zu machen, nach dem Aufstehen zehn Minuten Kniebeugen, Armkreisen und Liegestütz. Der künftige Kaiser träumt von der Nutzung der Elektrizität, um Wurst und Käse kühl zu halten und den Kaffee zu mahlen. Und wenn sich die beiden über Madonna und die Rolling Stones unterhalten, kann man nicht ernst bleiben. In der Realpolitik des Joseph tauchen sogar Perestroika und Glasnost auf.

Friedrich Schiller entspannt sich mit der E-Gitarre und dichtet ein revolutionäres Kampflied, das mit „Brüdern“ und „Sonne“ zu tun hat. Köhler gelingt es, in dieser Satire nicht nur Goethe, sondern auch Brecht und Thomas Mann unterzubringen. Mit Maylenstiefeln gelangen die Leser durch den Wilden Westen zu Winnetou, während sich in der näher gelegenen Schweiz Frau Tell als aufmüpfige Terroristin unbeliebt macht.

Weitere vergnügliche Geschichten ranken sich um die Nase von Kleopatra und ihre Begegnungen mit den Galliern, Hermann Hesse und seinen Weg zu Buddha, die Bestsellerautorin Hildegard von Bingen, einen Brief von Volkswagen an Mohammed über ein besonders wassersparendes Kamel und um so manchen anderen Promi nicht nur aus früherer Zeit.

Die zeit- und respektlosen Verknüpfungen regen über das Lachen hinaus zum Nachdenken über die dahinter stehenden realen Persönlichkeiten und ihr Wirken für die Menschheitsgeschichte an. Sie haben einen realen Bezug, selbst wenn Moses nicht mit Navi und Tupperdose auf den Berg Sinai gestiegen ist. rv

Köhler, P.: Als Marx im Lotto gewann. Eulenspiegel Verlag Berlin, 2024.

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