Angefangen hat Marlies Müller bei der Tafel im Oktober 2006 als Ein-Euro-Jobberin. Im Jahr 2007 übernahm sie die Perleberger Tafel als Leiterin. Ein Jahr später wurde sie in den Vorstand des eingetragenen Vereins gewählt. 2014, nachdem der damalige Vereinsvorsitzende Günther Kolib starb, übernahm sie den Vereinsvorstand. Die Tafeln in Wittenberge, Pritzwalk und Perleberg gehören zum Verein.
Bei der Konsumgenossenschaft Perleberg arbeitete sie zunächst in der Abteilung für Soziales, betreute beispielsweise kinderreiche Familien und organisierte Kinderferienlager. „Danach habe ich in Perleberg erst im Lampenladen gearbeitet und später den Delikat-Laden auf dem Großen Markt geleitet. Bis 1991 ging das. Als es dann nach der Wende die HO nicht mehr gab, zu der der Delikat-Laden gehörte, übernahm ich von 1991 bis 2004 den Sparmarkt, der in diese Räume einzog”, berichtet sie von ihrem Berufsleben. Heute befindet sich dort die Stadtinformation der Stadt Perleberg. 2004, als der Markt geschlossen wurde, war sie zunächst arbeitslos und nahm an verschiedenen Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen teil, bevor sie dann 2006 zur Tafel kam.
„Am 1. Oktober war mein erster Arbeitstag. Danach wollte ich erst nicht wieder hingehen. Ich komme aus der Branche und der Umgang mit den Lebensmitteln dort hat mir nicht gefallen”, versucht sie die damalige Situation vorsichtig zu umbeschreiben. Ihr Mann ermutigte sie jedoch weiterzumachen. „Als ich 2006 bei der Tafel anfing, waren wir 15 Leute. Heute sind wir noch vier. Und damals hat es nicht so viele Bedürftige gegeben wie jetzt”, erinnert sie sich.
Ab 2014 kamen Geflüchtete vor allem aus Syrienn nach Deutschland, seit Beginn des Ukraine-Kriegs auch viele Ukrainer und Ukrainerinnen. „Der Bedarf hat sich seit 2006 verdreifacht. 160 Bedarfsgemeinschaften in der Größe von einer bis zu zehn Personen kommen zu uns”, berichtet sie. Die werden montags, mittwochs und freitags mit Lebensmitteln und warmen Essen versorgt. Das Mittagessen kocht Köchin Annette Brechlin.
„Die Ware holen wir täglich von den Perleberger Discountern. Es sind oft Waren, bei denen die Verpackung nicht mehr schön aussieht. Das Mindesthaltbarkeitsdatum darf noch nicht abgelaufen sein. Bevor wir die Sachen rausgeben, müssen wir kontrollieren, ob alles in Ordnung ist”, berichtet Marlies Müller von dem Prozedere. Eine Person darf sich einmal in der Woche Lebensmittel holen, eine Drei-Personen-Bedarfsgemeinschaft zweimal, größere Bedarfsgemeinschaften dreimal. „Manchmal haben wir nicht so viel Ware. Dann teilen wir die Sachen zu. Größere Reibereien gab es bisher nicht. Alles läuft friedlich und gesittet ab. Annette Brechlin kocht an den Öffnungstagen das Mittagessen“, erzählt sie.
Die Ware wird für einen kleinen Obolus rausgegeben. Damit finanziert der Verein die Tafel, denn für Miete, Heizung, Strom, das Auto und Reparaturen müssen sie selbst aufkommen. Marlies Müller dankt allen Perleberger Discountern, die die Tafel unterstützen. „Auch Privatleute bringen was. Im Sommer und Herbst zum Beispiel Obst und Gemüse aus ihren Gärten. Wir haben auch eine Kleiderkammer. In der Winterzeit bekommen wir Spenden von Bürgern und Unternehmern. Von der Metro bekommen wir auch Lebensmittel. Solange ich gesund bleibe und noch kann, werde ich hier weiter ehrenamtlich arbeiten”, sagt sie. Vor 16 Jahren sei ihr Mann gestorben. Und allein wolle sie nicht zu Hause rumsitzen. Marlies Müller packt bei der Tafel mit an, wo sie helfen kann. Schwere Kisten schleppt sie allerdings nicht mehr. Jens Wegner