Was aber bringt Pflanzen dazu, ihre Blütezeit in die kalten Wintermonate zu verlegen? Man sollte meinen, Frühling, Sommer oder zur Not auch noch der frühe Herbst wären bessere Jahreszeiten, um Insekten zur Bestäubung anzulocken. Tatsächlich ist die Christrose jedoch kein Einzelfall. Andere bekannte Arten sind zum Beispiel Winterjasmin (Jasminum nudiflorum), Winter-Heckenkirsche (Lonicera purpusii), Schneeball (Viburnum) oder Zaubernuss (Hamamelis). „Es erscheint auf den ersten Blick ungewöhnlich, dass einige Arten ausgerechnet im kalten und kargen Winter blühen“, erklärt Michael Henze vom Bundesverband Garten-, Landschafts- und Sportplatzbau e. V. (BGL). „Tatsächlich handelt es sich dabei um eine clevere Anpassung: Indem diese Pflanzen ihre Blüte schon einige Zeit vor dem Frühjahr beginnen, entgehen sie dem intensiven Konkurrenzdruck dieser Jahreszeit. So profitieren Arten, die auf die Bestäubung von Insekten angewiesen sind, von den ersten hungrigen Bienen, Fliegen und Käfern. Diese finden zu dieser Jahreszeit nur wenig Nektar und nehmen das Angebot der Winterblüher eifrig an.“
Andere Arten lassen ihren Pollen durch den Wind verbreiten. Wenn sie im Winter blühen, haben sie in der winterlich kahlen Landschaft den Vorteil, dass ihre Flugbahnen nicht durch das Laub der Sträucher und Bäume gestört werden. „Die ruhende Vegetation hat aber noch einen Vorteil“, betont Michael Henze. „Samen und junge Triebe müssen im Winter weniger um Licht, Wurzelraum und Nährstoffe konkurrieren, wodurch sie sich an ihrem Standort einfacher etablieren können.“
Um den winterlichen Temperaturen zu trotzen, haben Winterblüher beeindruckende Strategien entwickelt. Statt Glukose (Zucker) produzieren einige Arten Glycerin, das im Zellwasser wie ein natürliches Frostschutzmittel wirkt. Andere schließen ihre Blüten über Nacht, um sie erst mit den wärmenden Strahlen des Tageslichts wieder zu öffnen. So bleiben die empfindlichen inneren Blütenorgane vor Frostschäden bewahrt. Viele Winterblüher zeichnen sich außerdem durch kompakte Wuchsformen aus, die ihnen zusätzlichen Schutz bieten, da sie der Kälte weniger Angriffsfläche bieten.
Eng mit der Christrose verwandt ist übrigens die Lenzrose (Helleborus orientalis). Auch sie fängt nicht im Frühjahr zu blühen an, wie der Name es eigentlich nahelegen würde, sondern meist schon im Februar. Sie wird etwas größer als Christrose und ist nicht so anspruchsvoll, was ihren Standort angeht, kommt auch mit weniger Nährstoffen zurecht. Als unkomplizierte Gartenpflanzen bereitet sie all jenen Freude, die sich im späten Winter über Farbtupfer im Garten freuen. net