Nach dem Abschluss der zehnten Klasse lernte die gebürtige Wittenbergerin Facharbeiter für Feinkeramik in Haldensleben bei Magdeburg. „Im Jahr 1983 fand ich eine Anstellung in der Konsumgüterproduktion im Fliesenwerk Karstädt. Dort baute ich eine Töpferwerkstatt auf”, erzählt „Töpfer-Kathi” aus ihrem beruflichen Werdegang. Die Keramik wurde damals in Gipsformen gegossen. Diese selbst herzustellen war äußerst schwierig. „Die haben wir aus unserem Kombinat in Haldensleben bekommen. Wenn wir an der Scheibe drehen, brauchen wir keine Gussformen mehr. Das habe ich unserem Chef erzählt. Leute aus der Abteilung Rationalisierungsmittelbau haben dann Drehscheiben und einen Brennofen gebaut. Wir waren ja Weltmeister im Improvisieren. Das hat ein hohes Maß an Kreativität und Zusammenhalt gebracht”, sagt sie.
In der Berufsakademie des Handwerks Falkensee lies sie sich weiterbilden zur Scheibentöpferin. „Birke Kästner aus Schwerin war damals meine Mentorin für den praktischen Teil”, erinnert sie sich. 1989 war sie damit fertig. „Am 9. November 1989 kam unser damaliger Ausbilder Mario Enke zur theoretischen Prüfung. Die Mauer war gerade offen”, berichtet sie. „Ich weiß nicht mehr, was ich euch noch sagen soll. Jetzt wird alles anders”, sagte Enke seinen Lehrlingen. Die Wende 1989 hat alles über den Haufen geworfen. „Unsere Ware war nicht mehr gefragt. Die Leute haben lieber bei IKEA und beim Chinesen gekauft. Die Konsumgüterproduktion gab es nicht mehr. Viele Töpfer haben den Beruf gewechselt. Von 25 Töpferinnen aus unserer Klasse sind heute noch maximal fünf im Beruf”, schätzt sie.
Am 1. Mai 1990 eröffnete sie ihre eigene Töpferei in der Garage ihrer Eltern. „Dass wir das Haus schon hatten, war unser Glück. Hätte ich Werkstatträume mieten müssen wäre es nicht gegangen.” Ihr Mann Thomas stand ihr von Anfang an helfend zur Seite. Der Facharbeiter für Betriebsmess-, Steuerungs- und Regelungstechnik, baute einen Brennofen und eine Töpferscheibe. „Der Ofen, den mein Mann gebaut hat, war der beste”, blickt sie zurück. „Ich habe im Gewerbeamt angefragt, wie das geht mit der Selbstständigkeit. Es waren wirre Zeiten kurz nach der Wende. Niemand wusste hier so richtig Bescheid. Einen Meister brauchte ich erstmal nicht. Ich habe mich in der Handwerkskammer eintragen lassen, später auch in der Berufsgenossenschaft. Das war es.” Die Garage wurde nach und nach aus- und ein kleiner Laden angebaut.
Vor der Währungsunion haben die Leute sehr viel bei ihr gekauft. Die Leute wollten ihre Ost-Mark loswerden. Danach war plötzlich Schluss. „Die Leute aus dem Wendland haben mich über diese Zeit gerettet. Als Handwerker wurden wir wertgeschätzt und wir waren deutlich billiger als unsere West-Kollegen. Also kamen sie rüber und kauften bei uns. Wäre ich damals nicht so blauäugig gewesen, wäre ich vielleicht nicht in die Selbstständigkeit gegangen.”
„Wir haben damals aus der Werkstatt heraus verkauft und hatten noch keine Innung, die uns unterstützt”, blickt sie zurück. Auf dem Wochenmarkt in Wittenberge kam ein Mann auf sie zu und sagte: „Mensch Mädel, du bist hier falsch. Du musst auf den Kunsthandwerkermarkt gehen.” Bis heute macht sie ihren Umsatz größtenteils auf Töpfermärkten.
Nicht immer ging alles glatt. Es gab Höhen und Tiefen. Einmal dachte sie darüber nach, ihr Gewerbe abzumelden. „Ich hatte es satt auf den Markt zu fahren. Auf den Märkten verdienen wir das Geld. Es ist aber sehr kräftezehrend. Im Sommer und Herbst sind wir an Wochenenden auf Märkten unterwegs, wenn andere frei haben. Es bot sich die Möglichkeit, in einer Behindertenwerkstatt zu arbeiten. Dann habe ich es aber doch nicht gemacht.”
Ihr Sortiment umfasst heute Gebrauchs- und Zierkeramik sowie Gartendekoration. Glausuren selbst herstellen, ist sehr schwierig. Dazu sind unter anderem viele Versuchsreihen nötig. Deshalb bezieht sie ihre Glasuren vom Händler. „Angefangen habe ich mit blau-weißer Bemalung und rustikalem Grün. Dann kam ein schönes Rot dazu.” Sie probierte einiges aus, tauchte ihre Stücke erst rot, dann in gelb. „Das daraus entstandene Orange ist mein Markenzeichen geworden.” Verschiedenfarbige Glasuren zu mischen sei nicht so, wie das Mischen im Tuschkasten. Die Glasuren sind Metalloxide, die im Brand miteinander reagieren. So sei es eine Ausnahme, dass die Kombination rot und gelb funktioniert.
In der Schule habe sie das Fach Chemie nicht gerade geliebt, erzählt sie. Und sie war froh, als das nach dem Ende der zehnten Klasse vorbei war. In der Berufschule kam dann das böse Erwachen. „Wir hatten sehr viel mit Chemie zu tun. Dazu gehörte unter anderem das berechnen Molarer Massen. Das habe ich gehasst. Aber ich habe gemerkt, dass man wirklich fürs Leben lernt.”
In ihrem Laden an der Werkstatt bietet sie ihre Keramikprodukte an. Hochwertig und langlebig sind sie, spühlmaschinenfest, mikrowellengeeignet und frostsicher. Auf ihrer Homepage können die Kunden dem aktuellen Markt-Kalender entnehmen, wann sie an welchen Orten zu finden ist. „Ansonsten bin ich in meiner Werkstatt. Aber nicht immer. Rufen Sie mich am besten an, bevor Sie kommen möchten”, rät sie ihren Kunden.
Ab und zu kommt mal jemand wie kürzlich Grit Leuschke vom Café Zur Möwe zu ihr. Sie hatte ein Töpfchen mit Henkeln dabei. Dazu wollte sie Serviettenhalter. So setzt die Töpferin ab und zu auch Kundenwünsche um. „Ansonsten läuft hier Tag für Tag das gleiche ab. Ich liebe das langweilige Leben”, sagt sie und lacht. Zufriedenheit ist ihr Glück. Sie habe immer allein gearbeitet und das war auch gut so. Derzeit kann sich die 61-Jährige noch nicht vorstellen, in absehbarer Zeit mal aufzuhören. Die Winterproduktion läuft gerade in vollem Gange. „Wenn ich am Ende des Tages sehe, was ich mit meinen Händen erschaffen habe, bin ich glücklich.” Jens WegnerWeitere Informationen unter: Kathrin Kückel-Schulz, Töpferei Kathi Kückel-Schulz, Wahrenberger Straße 101, 19322 Wittenberge, Tel. 03877/79420, E-Mail: kathis.toepferei@gmx.net oder online unter: kathis-töpferei.de