„Das wäre natürlich ein großer Gewinn“, sagt Bürgermeister Gammelin. Mit dem Zug zum Einkaufen nach Neuruppin? Das müssen sich die älteren Walslebener ohne Auto im Moment zweimal überlegen. Gammelin: „Wer will denn im Zweifel schon zwei Stunden auf die nächste Bahn warten?“ Eine Stunde maximale Wartezeit wäre da schon eine deutliche Verbesserung. „Die Bedienung der Stationen mindestens im Stundentakt ist als Ziel im Landesnahverkehrsplan und in den Zielen des 2030-Projektes Prignitz-Express verankert“, sagt VBB-Sprecher Joachim Radünz. Das gilt für alle Halte an der RE 6-Strecke, an denen der Zug bisher nur alle zwei Stunden stoppt, also zum Beispiel auch für Wustrau-Radensleben. Einziger Wermutstropfen: Bis der Zug wirklich alle Stunde hält, wird es noch einige Jahre dauern. Mit der jetzigen Technik ist das nicht zu schaffen. Die alten Dieseltriebwagen, die zurzeit auf der Strecke rollen, sind dafür zu langsam. Die Fahrzeit würde sich durch das häufige Anhalten zu sehr verlängern.
Damit der Zug auch in den kleinen Orten öfter stoppen kann, „ist der weitere Ausbau der Infrastruktur erforderlich“, sagt Joachim Radünz. In Wustrau-Radensleben sollen die Züge ab Dezember 2026 öfter anhalten. Bis dahin will die Bahn parallel zum RE 6 auch die RB 55 bis Neuruppin fahren lassen, die bisher nur zwischen Hennigsdorf und Kremmen rollt. Der RE 6 soll dann endlich zum echten Expresszug werden und nur noch in den größeren Orten stoppen wie in Hennigsdorf, Velten, Kremmen, Neuruppin und Wittstock. Die RB 55 wird ab 2026 dagegen alle Stationen an der Strecke anfahren, ebenfalls im Stundentakt.
So hofft die Bahn, die Strecke attraktiver zu machen und den Prignitz-Express zuverlässiger. Nicht alle Orte an der Strecke sind von den Plänen begeistert. In Beetz-Sommerfeld etwa gibt es Proteste dagegen. Dort fürchten die Einwohner, dass sich das Zugangebot verschlechtert, wenn in ihrem Bahnhof ab ’26 nicht mehr der RE 6 stoppt, sondern die RB 55. Der Express fährt immerhin bis Berlin durch, die Regionalbahn 55 endet aber in Hennigsdorf; wer nach Berlin will, muss dort umsteigen. Irgendwann in ferner Zukunft soll zwar auch die RB 55 nach Berlin durchfahren. Wann, ist derzeit aber völlig offen. In Wustrau sieht man es weniger verbissen, dass die RB 55 am Bahnhof Halt machen wird und nicht mehr der RE 6. „Für uns ist vor allem wichtig, dass wir einen Stundentakt bekommen“, so Ortsvorsteher Ingo Lamprecht. „Darauf haben wir so lange gewartet.“ In Walsleben, Netzeband, Fretzdorf und Dossow müssen die Menschen auch länger warten. Dort wird der Zug frühestens Ende 2028 im Stundentakt stoppen.
Das klappt nämlich erst, wenn die bisherigen Dieseltriebwagen durch elektrische ersetzt werden. Die Züge mit Stromantrieb können schneller beschleunigen als die Dieselzüge, heißt es vom VBB. Dadurch kann die Bahn zwischen Neuruppin und Wittstock öfter anhalten, ohne dass sich die gesamte Fahrzeit zu sehr verlängert. Elektrozüge kommen auf der Strecke aller Voraussicht nach ab Dezember 2028 zum Zuge. So steht es im Landesnahverkehrsplan, der dieses Jahr verabschiedet wurde. Geplant ist, dass für den RE 6 und die RB 55 in Zukunft Züge mit Batterieantrieb fahren. Dafür müssten Oberleitungen nur auf wenigen Kilometern neu gebaut werden.
Derzeit wird der Prignitz-Express RE 6 von der Bahn-Tochter DB Regio Nordost betrieben. Sie hat einen Vertrag mit dem VBB bis 2028. Für die Zeit von Ende 2028 bis 2041 soll der Vertrag für den Prignitz-Express neu ausgeschrieben werden. Wer auch immer den Zuschlag bekommt, soll dann Triebwagen mit elektrischem Antrieb einsetzen.
„Bis 2028 ist es natürlich noch etwas hin“, räumt Thomas Kresse ein, der Amtsdirektor des Amtes Temnitz. Trotzdem ist er froh, dass jetzt endlich ein Stundentakt für Walsleben und Netzeband greifbar wird: „Da kann man nichts gegen sagen, dafür haben wir uns lange eingesetzt.“
Kresse denkt aber weiter. Er würde sich wünschen, dass irgendwann die RB 55 über Neuruppin hinaus verlängert wird. Am besten, um die alte Strecke Neuruppin-Neustadt (Dosse) wiederzubeleben. Falls das zu ambitioniert ist, wäre ihm zunächst recht, wenn der Zug wenigstens von Neuruppin bis Werder ins Gewerbegebiet Temnitzpark mit seinen vielen Firmen verlängert würde. Dass das nicht auf Anhieb klappt, ist ihm klar. „Man braucht schon einen langen Atem. Aber es lohnt sich, das zeigt sich ja jetzt beim Stundentakt.“ Reyk Grunow