Das alles leisten sie ehrenamtlich. Es gibt lediglich eine kleine Aufwandsentschädigung. Die Stadt Wittstock hat dieses Engagement jüngst auf dem Neujahrsempfang in den Fokus gerückt. An diesem Abend wurden alle 13 Stadtführer mit der Ehrenmedaille der Stadt Wittstock gewürdigt – es ist die 25. ihrer Art.
Doch wie wird man eigentlich Stadtführer? Katja Reichelt weiß es. Sie leitet die Touristinformation in Wittstock. Alles beginnt mit einem Kurs für 66 Euro bei der Volkshochschule (VHS) in Wittstock. Unter dem Titel „Wittstocker Stadt- und Regionalgeschichte“ tauchen die Teilnehmer tief in die Historie ihrer Heimat ein. Von Antje Zeiger, der Leiterin der Museen Alte Bischofsburg in Wittstock, erfahren sie, was ein Stadtführer wissen muss und worauf es im Umgang mit den Gästen ankommt.
Der letzte Kurs sollte vom 11. Oktober 2023 bis zum 13. Dezember 2023 dauern – so war zunächst der Plan. Jeden Mittwoch von 18 Uhr bis 20.15 Uhr sollte in der VHS in Wittstock um die Stadtgeschichte gehen. Aber um die Weihnachtszeit sei es zu Verzögerungen gekommen, berichtet Katja Reichelt, so dass sich Kurs noch bis ins neue Jahr hineinzog. Mit dabei sind immer rund zehn Teilnehmer, sagt Lehrgangskoordinatorin Anette Greistert von der VHS in Wittstock. Der nächste Kurs werde im Herbst dieses Jahres angeboten. Unverbindliche Anmeldungen seien schon jetzt möglich. Er richte sich nicht nur an angehende Stadtführer, sondern ebenso an Menschen, die einfach an der Stadtgeschichte interessiert sind.
Wer aber Stadtführer werden möchte, „der muss auch eine Prüfung ablegen“, sagte Ina Muhß, als sie die Ehrenmedaille als dienstälteste Stadtführerin stellvertretend für ihre Wittstocker Kollegen beim Neujahrsempfang am 18. Januar entgegennahm. Seit knapp 30 Jahren führt sie Gäste durch die Stadt und hat noch immer Spaß dabei.
„Die Prüfung ist ein gemeinsamer Stadtrundgang. Während dieses Rundgangs sagt jeder Kursteilnehmer etwas zu einer Sehenswürdigkeit“, sagt Katja Reichelt. Dass sich die künftigen Stadtführer bei einem solchen Rundgang zum Abschluss auch gegenseitig etwas voneinander abschauen, sei durchaus gewollt.
„Es geht nicht nur darum, Geschichtsdaten zu nennen und die Zuhörer womöglich mit Zahlen zu überfordern. Sicher – Geschichtskenntnisse sind wichtig – aber ebenso gehören auch kleine Anekdoten dazu“, sagt Katja Reichelt. Das mache Historie greifbarer und unterhaltsamer.
Das kann Jürgen Paul bestätigen. Er ist seit 2018 Teil der Wittstocker Stadtführer – und legt die Messlatte gleich mal nach ganz oben: „Kennen Sie die Wittstocker Bischofsmagistrale?“, fragt er. Wer jetzt mit dem Kopf schüttelt, bekommt die Antwort frei Haus: „Kaum jemand weiß, dass die kleine Werderstraße einmal Wittstocks wichtigste Straße war.“
Ein Stadtführer brauche eine Mischung aus Geschichtsinteresse, Begeisterung für seine Heimatstadt und Freude am Umgang mit Menschen, sagt Jürgen Paul. Der Rest sei schlicht Übung. Die Route, die Stadtführer nehmen, sei ihnen selbst überlassen. Jeden Samstag beginnt in Wittstock um 11.30 Uhr eine anderthalbstündige öffentliche Stadtführung. Los geht es an der Touristinformation. Kosten: vier Euro. Eine Mindestteilnehmerzahl gibt es nicht. „Auch wenn sich nur ein einziger Teilnehmer einfindet, findet sie statt“, sagt Katja Reichelt. Denn kein Besucher solle enttäuscht werden.
2023 gab es 32 solcher öffentlichen Stadtführungen, an denen 415 Besucher teilnahmen. Möglich seien darüber hinaus individuelle Führungen – für je 50 Euro. Auch können Stadtrundgänge in englischer oder schwedischer Sprache angeboten werden. Denn immerhin hat Wittstock mit Höganäs eine schwedische Partnerstadt. Nicht zuletzt gibt es seit 2023 auch Führungen speziell für Kinder. Jeder Stadtführer im Dienst verkörpert ein Wittstocker Original – und schlüpft in ein historisches Gewand aus dem Kostümfundus der Stadt.
Katja Reichelt ist mit der Anzahl der Wittstocker Stadtführer zufrieden. „In meiner sechsjährigen Amtszeit ist noch nie eine Führung ausgefallen, weil wir keinen Stadtführer hatten“, sagt sie. Allerdings wünschte sie sich mehr jüngere Menschen für diese Aufgabe. Wer sich dafür entscheidet, wird Teil eines Teams, das in sechswöchigem Rhythmus zusammenkommt, um sich über aktuelle Entwicklungen auszutauschen. Auch gebe es Weiterbildungsmöglichkeiten über die AG „Städte mit historischen Stadtkernen“. Zudem werde über den Tellerrand geschaut. So nahmen Wittstocker Stadtführer 2023 an einer Führung in Neuruppin teil und wollen in diesem Jahr gleiches in Wittenberge tun. Wer sich mit dem Gedanken trägt, Stadtführer zu werden, könne kostenlos bei einem aktiven Botschafter Wittstocks mitlaufen, um zu schauen, ob das wirklich etwas für ihn ist. Björn Wagener