Ehe die Erinnerung vergeht
Die Heide ist seit 15 Jahren frei: Scheunenschnack am 6. September will erinnern und lädt ein: „Kommt und erzählt. Haben Sie Geschichten zur FREIen HEIDe?“

Ostermarsch am 9. April 1998 in Fretzdorf: Die Bürgerinitiative FREIe HEIDe hatte zu einer Demonstration gegen die militärische Nutzung des Truppenübungsplatzes in der Kyritz-Ruppiner Heide aufgerufen. Tausende kamen.
Pfalzheim. Seit dem Jahr 1959 gehörten 144 Quadratkilometer der heutigen Kyritz-Ruppiner Heide der Sowjetarmee. Sie führten dort Panzerübungen durch und trainierten das Abwerfen von Bomben im Tiefflug. Für die in der Region lebenden Menschen war dies ein tief gehender Eingriff in ihr Leben und eine ständige Belastung für Menschen und Tiere. Das sowjetische Militär war zu DDR-Zeiten allgegenwärtig und bestimmte über eine ganze Region.

Mit der Wende und dem Abzug der russischen Streitkräfte im Jahr 1993 hofften die Menschen auf bessere Zeiten für die Kyritz-Ruppiner Heide. Doch die Bundesregierung plante eine militärische Weiternutzung des Geländes. Auch künftig sollten hier Tiefflüge stattfinden und Bomben abgeworfen werden – nur dieses Mal von deutschen Soldaten. Sogar eine neue Garnison mit 800 Mann war geplant.

Doch nun regte sich Widerstand. Am 23. August 1992 gründete sich in Schweinrich die Bürgerinitiative FREIe HEIDe. Mitglieder, Anhänger und viele Menschen aus Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern wollten die militärische Weiternutzung des ehemaligen Truppenübungsplatzes unbedingt verhindern – und fanden in den kommenden Jahren viele Formen des friedlichen Protests. So fand jahrelang am Ostersonntag eine der größten Ostermarschaktionen in Deutschland in Fretzdorf statt. Vielfältige Protestaktionen machten immer wieder auf die Forderungen der Menschen nach Freigabe des Geländes aufmerksam.

Im Jahr 2004 stimmte die brandenburgische Landesregierung mehrheitlich für eine zukünftig friedliche Nutzung der Kyritz-Ruppiner Heide. Doch der Protest ging weiter – unterstützt von der Aktionsgemeinschaft Freier Himmel in Mecklenburg-Vorpommern und der Unternehmerinitiative Pro Heide, der es besonders um die dramatischen Folgen für die Wirtschaft und den sich entwickelnden Tourismus ging, falls der Truppenübungsplatz weiter betrieben würde.

Am 9. Juli 2009 war es dann endlich soweit. Der damalige Bundesverteidigungsminister Jung erklärte den Verzicht auf die Nutzung der Kyritz-Ruppiner Heide als Luft- und Bodenschießplatz. Das Gelände wurde daraufhin zum Naturschutzgebiet erklärt. Damit konnte mit der Entwicklung der Region und der Beseitigung der Altlasten begonnen werden.

Inzwischen ist die Heide seit 15 Jahren frei. Teile des Geländes sind bereits der Öffentlichkeit zugänglich. Die Natur hat ganze Arbeit geleistet. Eine ausgedehnte Heidelandschaft hat sich entwickelt, seltene Pflanzen und Tiere sind heute hier wieder heimisch. Auch der Wolf hat die Heide zu seinem Revier erklärt.

Die Gesamtkirchengemeinde Temnitz und der Friedensscheune e. V. wollen das Jubiläum nutzen, um die Erinnerung an das Erreichte wachzuhalten. Unter dem Motto „Kommt und erzählt. Haben Sie Geschichten zur FREIen HEIDe?“ wird es am Freitag, dem 6. September, ab 14 Uhr einen Scheunenschnack in Pfalzheim, Dorfstraße 27a, geben.

Das Regionale Zukunftsnetzwerk Temnitz „Zukunft T“ möchte noch einmal die Vergangenheit wachrufen und zu einer Würdigung der Bürgerbewegung beitragen, indem es Zeitzeugen und Interessierte zu einem großen Austausch über die Ereignisse der 17 Jahre Bürgerbewegung einlädt, die zum Naturschutzgebiet Kyritz-Ruppiner-Heide und damit zum Abzug des Militärs geführt haben. Die Gespräche werden gefilmt und dokumentiert von Thiemo Blümchen in Zusammenarbeit mit der TH Brandenburg.

Der Tag beginnt um 11 Uhr mit einem Gottesdienst unterhalb des Sielmannturms und einer besinnlichen Wanderung mit Führung durch die Mahnsäulenausstellung ab 12 Uhr. Fürs leibliche Wohl wird gesorgt. Gabriele Elstermann

Wer Materialien aus der Zeit des Widerstandes gegen den Truppenübungsplatz – auch Bombodrom genannt – hat, wird gebeten dieses – gern auch als Kopie – zur Verfügung zu stellen. Die Friedensscheune baut ein Archiv und ein Museum dazu auf.





Druckansicht