Was bekommen die Besucher des Gottesdienstes in Menz am zweiten Weihnachtsfeiertag zu hören und zu sehen? Es werden ukrainische Originaltexte vorgelesen, natürlich biblische Texte – auf Ukrainisch und Deutsch. „Die ukrainische Sprache soll zu hören sein, um ein Gefühl dafür zu bekommen“, sagt Ralf Haska. Allerdings müsse niemand befürchten, dass er bei dem Gottesdienst nichts versteht. Er wolle etwas über Ikonen sagen und möglicherweise eine ukrainische Weihnachtsikone besprechen. Einige Informationen über das Weihnachtsfest der orthodoxen Kirche in der Ukraine wolle der Pfarrer ebenso geben; zum Beispiel, dass das Weihnachtsfest in dem Staat seit dem vergangenen Jahr nicht mehr am 7. Januar gefeiert wird.
„Natürlich spielen die Weihnachtsverkündigung und die Hoffnung eine tragende Rolle, die Hoffnung der Menschen auf Frieden. Ich war erst Mitte November wieder in der Ukraine und kann somit aus erster Hand von dieser Sehnsucht berichten.“ Friede auf Erden – das sei ja auch die Botschaft, die die Engel bei der Geburt von Jesus aussenden. Welche Musik die Besucher hören werden – da gebe es nicht die ganz große Auswahl. Aber auch hier werde der Pfarrer etwas Passendes heraussuchen. Den zweiten Feiertag sieht Ralf Haska als idealen Zeitpunkt für dieses Zusatzangebot an. „Heiligabend ist hierzulande gesetzt mit Gottesdienst, Verkündigung, Krippenspiel und Gesang, wie es jeder kennt. Aber zwei Tage später mit einem ganz anderen Angebot zu kommen, führt sicherlich den einen oder anderen in die Kirche, der mal etwas anderes erleben möchte.“ Es ist übrigens der einzige Gottesdienst dieser Art, eine zweite Chance, ihn zu erleben, gibt es nicht.
Der Theologe, der ursprünglich aus Gransee kommt, hält seit seiner Rückkehr nach Deutschland regelmäßig Kontakt in die Ukraine – per Telefon, E-Mail und vor allem mit Besuchen. „Ich fahre jedes Jahr ein- bis zweimal dorthin – auch in den Kriegsjahren seit 2022 war das so. Solidarität zeigen, Hilfe leisten, wenn möglich. Derzeit ist es eher finanzielle Hilfe für die Gemeinde und deren Glieder.“ Für sehr wichtig erachtet der 58-Jährige, „dass man den Ukrainern zuhört. Den Einwohnern und den Kirchen. Das passiert viel zu wenig für meine Begriffe.“ Er habe in der Ukraine Freunde gewonnen. „Und Freunde lässt man nicht im Stich, wenn es schwer wird.“
Jeden Sonntag schickt er zum Beispiel eine deutsche Predigt nach Kiew, die ins Ukrainische übersetzt und dann im Gottesdienst vorgetragen wird. Das sei eine der Möglichkeiten, um die Gemeinde auch geistlich zu unterstützen. Die Gemeindeleiterin beziehungsweise die Bürosekretärin – zugleich auch Übersetzerin – tragen die Predigt in der Regel vor. Jeden Sonntag wird dort trotz der kriegerischen Übergriffe ein Gottesdienst gefeiert. Die Kirche St. Katharina steht mitten in der Stadt, direkt gegenüber dem Präsidentenpalast. Dort wurden die Gebäude bislang nicht zerstört. Auch Opfer aus dieser Kirchengemeinde gibt es bislang nicht zu beklagen. Dort sei die Flugabwehr ziemlich gut, so Ralf Haska.
Es gebe andere deutsche Kirchengemeinden in Kiew und der Region um Kiew, bei denen es Opfer und Zerstörung von Gebäuden wie einem Gemeindehaus gibt. Menschen von dort seien geflüchtet, berichtet Ralf Haska.
Wie lässt sich der Konflikt in der Ukraine womöglich beenden? Ralf Haska: „Ich maße mir nicht an, über die Köpfe der Ukrainer hinweg eine Lösung vorzuschlagen oder durchzudrücken. Das versuchen die Menschen, die meinen, man muss unbedingt verhandeln, muss sich mit Putin an einen Tisch setzen, um einen Diktatfrieden abzuschließen“, sagt der Pfarrer. Und weiter: „Ich höre auf die Ukrainer, was sie denken und was sie wollen. Ich spüre eine Zermürbung in der Bevölkerung. Wenn man nicht mehr schlafen kann, weil es permanent Bombenalarm gibt, dann wird man irgendwann müde. Ich habe es selbst erlebt, wie die Sirenen heulten oder Apps ansprangen, um Warnungen herauszugeben. Das zermürbt.“ Es sei dennoch keine große Bereitschaft da, sich den Russen zu ergeben. Also müsse man auf die Ukrainer hören und sie bei dem unterstützen, was sie sich wünschen.
Nachdem Ralf Haska aus der Ukraine zurückkehrte, tat er in Bayern seinen Dienst. Seit Juli ist er Pfarrer in der Kirchengemeinde Lindow-Herzberg. „Es ist ein großer Bereich. Es ging erst mal darum, mich zu sortieren. Es braucht seine Zeit, um alle Orte, Kirchen und Gemeinden kennenzulernen. Ich fühle mich gemeinsam mit meiner Frau hier wohl, habe große Unterstützung in der Verwaltung und in den einzelnen Orten. Das freut mich.“ Völliges Neuland im wahrsten Sinne des Wortes ist ihm die Region im Südosten des Kreises Ostprignitz-Ruppin nicht. Denn in Lindow war er beim ehemaligen Pfarrer Schubach schon Vikar.
Am zweiten Weihnachtsfeiertag einen Schritt über die Kreisgrenze nach Oberhavel zu gehen, macht er gern. „Ich freue mich darauf, den ‚ukrainischen‘ Gottesdienst zu halten.“ Stefan Blumberg