„Wir sind ja alle keine Roboter“, sagt Thekla Köppen, eine der Koordinatorinnen vom ambulanten Hospizdienst Kyritz. Gerade sitzt sie neben dieser Frau aus Plänitz, die zwar nicht im Sterben liegt, aber jetzt auch mal ihre eigene, gewisse Zuwendung benötigt.
Denn Marion Engel hat schon vielen anderen Menschen ihre eigene Zeit gegeben, ihr Gehör und sie damit beim Sterben begleitet als eine von mehr als 50 Sterbebegleiterinnen des ambulanten Hospizdienstes Kyritz.
„Ja, Pausen müssen sein“, sagt Thekla Köppen. Marion Engel nickt und greift zum Kaffee. Kekse stehen ebenso auf dem Tisch und eine Wasserkaraffe mit Orangen in diesem Haus an der Perleberger Straße 33 in Kyritz.
Es ist der Sitz des Hospizdienstes, wo neben Marion Engel die vielen anderen ehrenamtlichen Helfer regelmäßig zusammenkommen und wo für die meisten von ihnen alles begann – mit einem Grundkurs für Sterbebegleitung.
„Ich hatte damals einen Artikel in der Zeitung gelesen“, erinnert sich Marion Engel, die seit fünf Jahren dabei ist: „Als Rentnerin mit viel Zeit kommt man auf solche Ideen“, sagt sie und lacht. Klar: Schließlich ist ihr Name Engel jetzt Programm. Namen sind Zeichen, heißt es nicht umsonst. „Nomen est omen.“
Ihre Lebensfreude verlor sie schließlich nie trotz der schweren Stunden, die sie schon miterlebte. Mit einem halben Dutzend Menschen ging sie gemeinsam auf deren Ende zu. Mal waren es wenige Tage, mal Monate. Und in einem Fall begleitete Marion Engel eine demente Frau, die in einem Kyritzer Pflegeheim lebte, noch ein ganzes Jahr lang.
Die 78-Jährige wohnt seit 2001 in Plänitz nahe Neustadt. Damals war sie noch Kitaleiterin in Berlin, wo ihr Mann als Schriftsetzer arbeitete. Beide wurden zu Berufspendlern.
„Erst hatten wir mit Blick auf unser Rentenalter nach einem Gärtchen geguckt, aber vergeblich“, erzählt sie: „Dann wurde ein Häuschen in Brandenburg daraus. Aber in die Hauptstadt fahren wir auch heute noch oft, gerne in die Philharmonie. Ich bin ansonsten sehr kulturell interessiert und male viel.“
Es sind diese Dinge aus ihrem Leben, die sie oft auch den Sterbenden erzählt, so sie es hören möchten. Denn inhaltlich ist bei der Sterbebegleitung nichts in Stein gemeißelt.
Aber es gibt Rahmenbedingungen. Die finden Interessierte auf der Webseite hospizdienst-kyritz.de erklärt. „In der Begleitung möchten wir mit Zuwendung und menschlicher Wärme unterstützen. Pflegerische Aufgaben dürfen wir nicht übernehmen“, heißt es dort: „Schwer kranke und sterbende Menschen sollen möglichst in ihrer gewohnten Umgebung und umsorgt von ihren Familien und Freunden bis zuletzt leben können.“
Häufig geht es bei der Sterbebegleitung also nicht mal nur um die Personen als solche, sondern um deren Familien drumherum. „Man wird dann zu einem Familienmitglied“, bestätigt Marion Engel.
„Wir helfen im Sinne der Hilfe zur Selbsthilfe“, steht dazu auf der Homepage geschrieben: „Unsere Ehrenamtlichen entscheiden in Absprache mit den Familien darüber, wie viel Zeit sie aufbringen und wie oft sie Begleitungen übernehmen.“ Sie werden ehrenamtlich und kostenfrei erbracht.
Um bestmöglich vorbereitet zu sein, werden Helfer wie Marion Engel seit Jahren in Kursen entsprechend geschult. Demnächst beginnt der mittlerweile siebente Kurs für Sterbebegleiterinnen und -begleiter.
„Männer und Frauen machen mit. Sie sind zwischen 40 und 80 Jahre alt. Es könnten aber auch
schon 18-Jährige mitmachen“, weiß Thekla Köppen und sagt: „Wir haben immer Bedarf, weil Leute aus Altersgründen nicht mehr können oder sich beruflich umorientieren und wegziehen aus der Region.“
Ausgebildet wird nach dem „Celler Modell“. Acht Sonnabende und sechs Abende unter der Woche umfasst das Programm vom April bis November. Profis kommen dann nach Kyritz wie die Potsdamerin Heike Borchert. Hinzu kommen Fachreferenten. Fahrten führen zu stationären Hospizen, Pflegeeinrichtungen, Bestattungsinstituten.
Wer anschließend wo zum Einsatz kommt, wird nicht dem Zufall überlassen. „Wir gucken vorher, ob das Umfeld passt, wer geeignet erscheint. Bislang kenne ich daher keinen Fall, wo es nicht passte“, sagt Thekla Köppen.
Der nächste Kurs beginnt am 8. April mit einem Kennenlernabend. Ausbildungsstart ist am 26. April. Wer Interesse hat, soll sich per E-Mail an den Verein wenden via mail@hospizdienst-kyritz.de oder unter 033971/869974 anrufen.
Einige der Sterbebegleiter sind darüber hinaus auch für „die Zeit danach“ noch gefragt – als Trauerbegleiter. Dafür wiederum gibt es ganz andere Kurse an der Perleberger Straße.
Viel Leben steckt in diesem Haus des Hospizdienstes, bei dem der Tod allgegenwärtig ist – seit jetzt 15 Jahren. So lange gibt es den Verein schon. Der Gründungstag, der 24. Februar 2010, wurde gerade mit allen Ehrenamtlichen und auch den Unterstützern gefeiert. Schließlich lebt der Hospizdienst neben Fördergeldern vor allem von Spenden. Matthias Anke