Die Bombe vor der Haustür

Cover: Verlag

Mitunter sehen sich Heranwachsende die Arbeitsplätze an, an denen sie später vielleicht einmal arbeiten möchten. Doch es ist ein ganz besonderer Arbeitsplatz, zu dem Frau Schebesta die 14-jährige Lou und ihren langjährigen Freund Artjom einlädt. Frau Schebesta räumt, wie der Titel des Romans sagt, auf, in einem ganz direkten, brutalen Sinn, sie beseitigt Kampfmittel, vor allem Bomben. Die sind nicht nur im Brandenburgischen, wo fast wöchentlich von einer Bombenentschärfung oder Bergung berichtet wird, auch 80 Jahre nach Kriegsende reichlich im Boden zu finden, und verrichten mitunter immer noch ihr zerstörerisches Werk. Auch die Wohngebiete in und um Kiel, wo die Helden des Romans von Malte Borsdorf zu Hause sind, bekamen die ganze Wucht des Kriege zu spüren. Hier fielen über 400 000 Bomben.

Während es bei Artjom mehr die Neugierde und eine Begeisterung für Feuerwerkskörper sind, berührt Lou die unmittelbare Begegnung mit Bomben emotionaler. Nicht nur, weil im Krieg in der Ukraine jeden Tag Bomben fallen. Sie hat das Gefühl, dass um sie herum überall Bomben sind. Diese Nähe ist nicht nur räumlich, sie ist ganz persönlich, denn da ist die Urgroßmutter Christine, die den Krieg noch erlebt hat. Seine Schrecken werden gegenwärtig, wenn sich ihre Großenkelin zu Frau Schebesta begibt.

Und plötzlich befindet sich das Haus, in dem Lou, ihr Vater Trotzki und Christine wohnen, selbst im Gefahrenbereich einer vermuteten Bombe. Aus der Ferne ist so ein Fund nur Routine und die Evakuierungen werden als lästig empfunden. Aber geht wirklich immer alles gut?

Die feinfühlige, behutsam differenzierende Erzählung der Handlung aus der Sicht der Teenager gibt Raum für das Alltagsleben der jugendlichen Hauptfiguren, und erzählt nahezu beiläufig von ihren Erfahrungen, Träumen und Ärgernissen, die alle in den Hintergrund treten, als das Leben durch eine 300-Kilo-Bombe anders wird.

Der Autor Malte Borsdorf lebt heute in Kiel. Er hat sich bereits mit seinem 2019 erschienenen Erstling „Flutgebiet“ auf eine besondere Weise dem Geschehen unseren Zeit zugewandt, einem Gegenstand, den jeder kennt, aus einem ungewohnten Blickwinkel. Das ist passend für das Programm den renommierten österreichischen Verlages Müry Salzmann. rv

Borsdorf, M.: Frau Schebesta räumt die Welt auf. Müry Salzmann Verlag, 2025.

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