Spott ist dieWaffe der Bedrängten

Cover: Verlag

Das ist ein Satz des Liedermachers Hans-Eckardt Wenzel, zugeeignet dem neuen Buch von Wolfgang Schaller „Zeitenwände“.

Der 1940 geborene Schaller war über 50 Jahre als Autor mit dem Dresdner Kabarett „Herkuleskeule“ verbunden. Er hat den Weg des politischen Satirikers beschritten und ihn auch heute nicht verlassen. Seit 1990 schrieb er über 500 Kolumnen für Zeitungen.

Die Zusammenstellung seines aktuellen Buch fiel zeitlich zusammen mit der Vertrauensfrage, die der voriger Bundeskanzler gerade gestellt hatte. Nunmehr ist eine neue Bundesregierung mehr als 125 Tage im Amt. Sind da die Texte von Schaller, all seine Anmerkungen, zurzeit noch aktuell, oder ist alles anders, besser geworden?

Davon kann sich der Leser selbst ein Bild machen, wenn er sich mit den „satirischen Jahresringen“ auseinandersetzt. Schaller ist sich bewusst, dass Auseinandersetzen Zustimmung oder Ablehnung bedeuten kann. Beides ist ihm recht, beides setzt Nachdenken voraus, über eine Zeit, die uns sehr vergangen vorkommt, aber noch gegenwärtig ist. Es waren keine witzigen Jahre, schreibt der Kabarettist, mit Corona-Lockdown, Toilettenengpässen, Krieg und Nationalismus. Für Schaller, der sich ostdeutsch, ja sächsisch verortet, sind es oft die Erlebnisse vor der Haustür, ganz persönliche Momente, so wenn es um das Rauchen oder den Fußball geht, die er aufgreift, um zu zeigen, wie sich bestimmtes Gedankengut entwickeln kann, welche Fragen der Menschen falsch oder gar nicht beantwortet wurden und was das alles mit dem Weltgeschehen zu tun hat.

In seinen Texten geht es um die einstige Hoffnung auf einen Sozialismus mit menschlichem Antlitz, um den Weg von der Diktatur der Ideologie zur Diktatur des Geldes. Zitat: „Das ostdeutsche Grundbuch ist eine einzige West-Side-Story.“ Würde Gott heute aus der Kirche austreten, fragt Schaller, und erzählt, wie schnell man für einen Nazi gehalten werden kann. Pflichterfüllung, Kriegstüchtigkeit, Weihnachtsmannklischees, Grillmodelle für Linkshänder, gute Neujahrsvorsätze und die Rechte eines Schriftstellers, Ohrstöpsel und Lehrertage – immer wieder trifft Persönliches auf Grundsätzliches, wird aus fröhlichem Lachen bitterer Ernst. Zeitenwände, Zeitenwende oder Zeitenende? rv

Schaller, Wolfgang: Zeitenwände. Eulenspiegel Verlag Berlin, 2025.

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