Der neue Titel aus dem „Bebra Verlag“ führt etwas in die Irre, weil er sich nicht nur auf den heutigen Landkreis Prignitz bezieht, sondern auf die bis Sachsen-Anhalt reichende „historische Region“. So erklärt sich dann auch die Existenz vom 1904 in Havelberg gegründeten „Prignitz Museum“ im Landkreis Stendal. Zwei der vier Kapitel widmen sich den Orten um Wittstock bis in die Kyritz-Ruppiner Heide und der Gegend „links und rechts der Dosse“.
Jedem Kapitel des Taschenbuches ist eine ganzseitige Karte vorangestellt. Durch das kleine Format ist sie zwar eher als Wanderhilfe ungeeignet, sie gibt aber Orientierung über die Lage der vorgestellten Orte zueinander. Der handliche Band erhebt sowieso keinen Anspruch auf Vollständigkeit, sondern erwähnt weiterführende Telefonnummern oder Adressen von Tourist-Informationen.
Es ist also mehr ein kulturell orientierter Reiseführer, als eine Chronik, die den Bogen von der 5000 Jahre zurückliegenden Megalithkultur bis ins aktuelle Jahrtausend spannt. So erfährt der Leser etwa anhand der in Bad Wilsnack aufgestellten Skulptur „Kleine Dott“, was es mit dem titelgebenden Sagenstoff auf sich hat.
Oder dass der Besitzer von Schloss Gadow in seinem Park von 1865 bis 1905 Versuche mit dem Anpflanzen fremdländischer Waldbäume unternahm. Darunter ist bis heute der erste großflächige Bestand an nordamerikanischen Douglasien zu sehen. Dass dort also Pionierarbeit hinsichtlich eines inzwischen erfolgreich angebauten Holzlieferanten geleistet wurde, so detailliert führt der Autor das Thema nicht mehr aus. Auch nicht, dass dieser Nadelbaum heute als widerstandsfähiger Hoffnungsträger beim Waldumbau hinsichtlich der Erderwärmung gilt.
Jedoch weist er immer wieder auf reichliche Naturbesonderheiten der Region hin. Das Buch gibt die Stichworte für eigene kunst- und kulturhistorische Entdeckungen. Wenn erwähnt wird, dass der bekannte Maler religiöser Motive, Wilhelm Steinhausen, ein Glasfenster in der kleinen Feldsteinkirche Blüthen gestaltete, dann bekommt man eine Ahnung von der Bedeutung der Region und kann sich gleich unter der mitgelieferten Internetadresse des Pfarrhausmuseums vertiefen. Ebenso wird allgemein unbekannt sein, dass der Pfarrerssohn Friedrich Ludwig Jahn, der spätere „Turnvater“, aus Lanz kommt, aber zum Studium nach Berlin ging, wo er den ersten deutschen Turnplatz baute. In seinem Geburtsort erinnert ein Museum an ihn.
Immer wieder erfährt der Leser auch, wo sehenswerte Zeugen der DDR-Vergangenheit erhalten sind: etwa der begehbare Grenzturm Lenzen an der ehemaligen niedersächsischen Grenze. Diese wollten vor 1989 einige Prignitzer überwinden, was ein selbstgebautes Flucht-Flugzeug im DDR-Geschichtsmuseum Perleberg beweist.
Dagegen durften die Westdeutschen ein- und durchreisen, wobei sie dann an der Transitstrecke in Quitzow möglichst viele Westmark für zollfreie Waren im „Intershop“ lassen sollten. Die wenigsten „Westler“ aber wollten bleiben. Eine Ausnahme war der Vater der späteren Bundeskanzlerin, der nach seiner Übersiedlung zuerst eine Stelle in der Kirche Quitzow antrat. Dass Angela Merkel drei Jahre lang im dortigen Pfarrhaus aufwuchs, ist eine der sonst selten erwähnten Anekdoten. Matthias BusseArmin W. Woy: Die Prignitz entdecken. Kultur und Landschaft im Nordwesten Brandenburgs. Bebra Verlag Berlin 2023, 175 Seiten.