Als künstlerischer Leiter des Kultur- und Festspielhauses Wittenberge prägte der gelernte Elektriker nach der Wende 1989 die Kultur in der Elbestadt wie kaum ein anderer.
„Gleich nach der Lehre habe ich gemerkt, dass das nichts für mich ist. Nach dem Abitur habe ich Kulturwissenschaften in Meißen studiert. Darauf folgte ein Regie-Studium in Berlin. In der Kultur bin ich dann immer geblieben”, sagt er.
Nach dem Studium fand der Diplom-Kulturmanager zunächst eine Stelle bei der staatlichen Kultur- und Gastspieldirektion Schwerin, wo er acht Jahre lang bis 1987 arbeitete. In den folgenden zwei Jahre war er als Freiberufler tätig, erledigte Auftragsarbeiten und betreute Tourneeproduktionen. „Dann kam die Wende. Alles Staatliche wurde aufgelöst”, erinnert er sich.
1990 machte er sich selbstständig und gründete sein Kulturmanagement-Unternehmen Prignitz-Concert. Er organisierte Veranstaltungen wie Lesungen und Stadtjubiläen, erarbeitete Programm-Konzeptionen und Machbarkeitsstudien im Kulturbereich. „Nach der Wende herrschte eine Goldgräber-Zeit. Die Leute wollten was erleben, die Welt-Stars sehen, unterwegs sein.”
Ab 1992 leitete er das Kultur- und Festspielhaus Wittenberge. Sein Unternehmen Prignitz-Concert führte seine Frau, später seine Tochter weiter. „Die Zeit als künstlerischer Leiter des Kulturhauses war sehr spannend”, blickt er zurück. Hans-Joachim Böse holte unendlich viele Weltstars und Sternchen nach Wittenberge. „Albert Hammond war wohl das größte, was ich erleben durfte. Albert ist eine Rampensau. Der Komiker Fips Asmussen war öfter in Wittenberge. Unsere Beziehung war schon fast freundschaftlich”, nennt er beispielhaft. „Auch die Jazz-Musiker Kenny Ball und Chris Barber waren toll. Solche Weltstars kennenzulernen ist einfach großartig”, schwärmt er. Es gebe aber auch Künstler, die toll auf der Bühne sind, mit denen man privat aber nur schwer klar käme, räumte er ein.
„In meiner Anfangszeit im Kulturhaus habe ich nach einem neuen Profil gesucht. Ich war schon als junger Mann ein großer Jazzliebhaber und habe viel Jazz-Schallplatten gekauft. Dann hatte ich die Idee, ein Jazz-Festival zu organisieren. So entstand das Dixielandfest Wittenberge. Mit dem Kulturbund haben wir einen Partner gefunden, später auch mit dem Förderverein Kultur- und Festspielhaus Wittenberge”, berichtet er. Alle Größen des Jazz holte er im Laufe der Jahre nach Wittenberge. Kenny Ball oder The Chris-Barber-Band nannte er als Beispiele. „Wir haben es umfassend gesehen und auch Latin-Jazz, Pop-Jazz und Blues-Bands eingeladen. Das erste Mal hatten wir 200 Besucher und zwei Bands. Gleich vom ersten Mal an fand die Veranstaltung auf dem Hof das Wittenberger Marie-Curie-Gymnasium statt. Wir freuen uns, dass wir den Hof schon so lange dafür nutzen dürfen.” Das Dixielandfest ist aufgrund seiner speziellen Musikrichtung kein Mainstream und ein Alleinstellungsmerkmal für Wittenberge. Es erfreute sich im Laufe der Jahre zunehmender Beliebtheit weit über die Grenzen der Prignitz hinaus. Am 23. und 24. August wird das große Jubiläum „30 Jahre Dixielandfest” gefeiert. Die Schirmherrschaft dafür übernimmt die Bundestagsabgeordnete Wiebke Papenbrock (SPD).
2017 war die Zeit des Ruhestands gekommen. Hans-Joachim Böse verabschiedete sich als Kulturhausleiter und übergab die Leitung in jüngere Hände. „Das war schon ein großer Schritt, wenn du 25 Jahre das Kulturhaus geleitet hast und plötzlich ausscheidest. Was kommt jetzt? Ich dachte, dass es mir schwer fällt. Heute habe ich viel Zeit für Musik – für Swing und Dixieland – was mir sehr am Herzen liegt”, sagte der 72-Jährige, der sich fit wie ein Turnschuh fühlt. „Vor Corona haben wir mit einer Rock-’n’-Roll-Band angefangen. Das hat sich dann aber zerschlagen. Gerade arbeiten wir zusammen mit ein paar Musikern an einem Schlager- und Oldies-Projekt. Das ist fast bühnenreif”, berichtet er von aktuellen Projekten. „Ich wurde auch gefragt, ob ich in die Politik gehen will. Aber das ist nichts für mich.”
Sein Unternehmen Prignitz-Concert führt er seit 2017 weiter. „Ich mache es, weil es Spaß macht. Ein paar schöne Sachen pro Jahr – das reicht.” Dafür sucht er einen Nachfolger.
„Kurz vor dem beruflichen Ausscheiden habe ich Seminare an der Europäischen Bildungsakademie für Medien und Events in München besucht. Ich wollte nicht in ein tiefes Loch fallen. Da habe ich tolle Leute kennengelernt.”
Aktuell spielt „Jo” Böse in der Band Blechgarage aus Sachsen-Anhalt und im Duo Swing and More. Er ist der Vorsitzende des Fördervereins Kultur- und Festspielhaus Wittenberge. Und er kümmert sich beim Dixielandfest weiterhin um die Finanzierung und die Musiker. Jens Wegner