Die Blüten des Kaukasus-Storchschnabels (Geranium renardii) leuchten im Sommer mit weiß blühender Steppen-Iris (Iris spuria) um die Wette, begleitet vom frischen Grün der Steppen-Wolfsmilch (Euphorbia seguieriana ssp. niciciana) und von Gräsern wie dem Tautropfengras (Sporobolus heterolepis). Ein sanft abgestimmtes Staudenbeet, das im Herbst weiterhin attraktiv aussieht, wenn Astern und Hohe Fetthennen ihre Knospen öffnen und aufblühen. Keine Frage, dieses Beet macht Freude, doch es kann noch mehr, denn es erfüllt eine wichtige Aufgabe: Auf der zwischen Parkplatz und Gebäuden gelegenen Fläche versickert Regenwasser, das auf am Institut für Stadtgrün und Landschaftsbau anfällt.
Die artenreiche Pflanzung ist insofern ungewöhnlich, als Sickermulden meist von Rasen begrünt sind. Hier erfüllt die Sickermulde nicht nur ihren Zweck und ist schön anzusehen, sondern sie wird vom Institut wissenschaftlich unter die Lupe genommen. Dass viele verschiedene Stauden und Gräser gepflanzt wurden, gehört zur Forschung. Welche Arten eignen sich besonders gut zur Bepflanzung von Sickermulden und können sich langfristig etablieren. Angelika Eppel-Hotz, stellvertretende Leiterin des Arbeitsbereichs Urbanes Grün am Institut, berichtet: „Wir haben mittlerweile schon über zwanzig Jahre Erfahrung mit dem Bepflanzen von Sickermulden. Unsere Versuchsflächen liegen nicht nur am Institut, sondern an unterschiedlichen Standorten.“ Der Diplom-Biologin liegt ein Punkt besonders am Herzen: „Eine vielfältig bepflanzte Sickermulde fördert die Artenvielfalt und bietet Futter für Insekten.“
Bienenweiden wie Katzenminze oder Thymian haben zudem den Vorteil, dass ihre Blüten nicht nur Nahrung bieten: „Natürlich sieht so eine Mulde viel schöner aus, wenn dort auch Blütenstauden wachsen.“ Auch deshalb plädiert sie dafür, das Angenehme mit dem Nützlichen zu verbinden: „An Parkplätzen oder in Siedlungen herrscht Mangel an Grünflächen: Wenn dort die Wasserversickerung als Pflanzbeet gestaltet wird, sparen wir Platz, verschönern das Umfeld und verbessern das Mikroklima durch die Verdunstung der Pflanzen.“ Auch die Funktionalität einer Sickermulde kann von der fachgerechten Pflanzenauswahl profitieren, erzählt sie: „Wir haben auf einigen Flächen nachgewiesen, dass die mit Stauden und Gräsern bepflanzten Mulden rund ein Drittel mehr Wasser aufnehmen konnten als reine Rasenmulden.“
Auch wenn sie ähnlich attraktiv wie ein Gartenbeet aussehen kann: „Eine Sickermulde ist keine normale Pflanzfläche“, betont Eppel-Hotz: „Sie wird grundsätzlich von Fachleuten gebaut, denn sie muss genaue technische Vorgaben und DIN-Normen erfüllen.“ Dazu gehört unter anderem: Das Wasser muss innerhalb von 24 Stunden aus der Mulde abgelaufen sein. Pflanzen, die in der Mulde wachsen, müssen Staunässe also nur relativ kurze Zeit aushalten. Die Trockenphasen können hingegen lang sein. Deshalb sind Sickermulden oft eher trockene Standorte, obwohl sie kurzzeitig Regenwasser aufnehmen. Außerdem unterscheiden sich die Standorte sogar innerhalb einer Mulde, erzählt die Pflanzenexpertin: „In der Sohle, also ganz unten, ist es etwas feuchter, dort könnten auch Taglilien wachsen. Dafür sind an den Böschungen und auf der Krone trockenheitsverträgliche Arten wie die Steppen-Wolfsmilch gut aufgehoben.“ Wie sich die Pflanzung in einer Mulde konkret entwickelt, hängt von den Niederschlägen ab und den Gegebenheiten vor Ort. Das ist auch für Angelika Eppel-Hotz spannend und nicht genau vorhersehbar: „Deshalb ist mir die Artenvielfalt in bepflanzten Sickermulden auch so wichtig: Wenn eine Pflanzenart ausfällt, übernimmt dafür eine andere Art.“ Als beständig in tendenziell trockenen Mulden haben sich etwa Katzenminze (Nepeta) der Sorte ‘Walkers Low’, Steppen-Iris (Iris spuria) und Echter Gamander (Teucrium chamaedrys) erwiesen. Diese Erkenntnis lässt sich auch für den eigenen Garten nutzen: Stauden, die sich in solchen Mulden etablieren, haben auch an eher trockenen Standorten im Garten gute Chancen für eine blühende Zukunft. WS